Wie gut, dass sich der neue Kanzler an die Jüngeren gewandt hat mit dem Wunsch, sie mögen solidarisch mittun beim Ausrichten der Gesellschaft auf eine bessere Zukunft.
Denn deren Altern wird ein großes Thema. Neben der Gesundheit ist es die Pflege. Dieses Thema drängt. Nur hat es Friedrich Merz in seiner ersten Regierungserklärung nicht wirklich bedrängt.
Das passt schon zusammen: Lieber nicht so laut darüber reden, weil die Töne schnell schrill werden. Dass gerade der Internationale Tag der Pflege begangen wurde, ist deswegen auch eher beschwiegen worden. Außer von den Betroffenen, versteht sich.

Stephan-Andreas Casdorff ist Editor-at-Large des Tagesspiegels. Er wünscht sich mehr Anerkennung für die Pflegenden.
Dabei ist der Beitrag von Pflegekräften in Sozialeinrichtungen in Tat und Wahrheit unverzichtbar. Abertausende ältere, chronisch kranke oder beeinträchtigte Menschen benötigen tägliche Hilfe, zu Hause, im Pflegeheim, im Krankenhaus.
Und Pflege umfasst mehr als blanke Versorgung. Sie ist ein wahrer Akt der Menschlichkeit.
Das kann gar nicht oft genug gesagt werden. Zumal Pflegende auch noch oft Angehörige oder Zugehörige sind. Der Anteil an häuslicher Pflege steigt seit Jahren.
Rund 86 Prozent der Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause versorgt, umsorgt. Zum Beispiel Berlin: Da sind es geschätzt 280.000 Pflegende.
Die Pflegesituation muss stabilisiert werden, in jeder Hinsicht, familiär, professionell.
Stephan-Andreas Casdorff
Es wird also zum Zeichen praktizierter Wertschätzung, darauf konkret einzugehen. Immerhin ist doch klar, dass fast alle, ob jung oder alt, heute oder morgen im Laufe ihres Lebens mit dem Thema Pflege konfrontiert sein werden.
Enttäuschung darf sich nicht wiederholen
Die Zahl der Leistungsbezieher steigt unablässig. Deshalb ist ja auch eine Reform nötig. Die Pflegesituation muss stabilisiert werden, in jeder Hinsicht, familiär, professionell.
Zum Beispiel Sachsen: Bis 2030 wird es das demografisch älteste Bundesland sein. 2023 gab es 363.243 Pflegebedürftige. Diese Zahl ist innerhalb von zwei Jahren um knapp 17 Prozent gestiegen – und das Defizit in der Folge in Milliardenhöhe.
Die schwarz-rote Koalition weiß, dass es zwingend ist, die Rentenversicherungsbeiträge pflegender Angehöriger zu übernehmen und die pandemiebedingten Mehrausgaben zu erstatten. Das hilft kurz- und mittelfristig.
Aber schon die Ampelkoalition hatte sich eine Lohnersatzleistung für Pflegende in den Familien vorgenommen. Eingeführt wurde sie nicht. Die Enttäuschung war groß. Sie darf sich nicht wiederholen. Dazu sollte sich der neue Kanzler bei nächster Gelegenheit vernehmen lassen. Es drängt.