Ann-Katrin Berger verschwendete keine Zeit und nahm die Schuld für den Gegentreffer, der zur 0:1-Halbfinalniederlage des DFB-Teams gegen Spanien geführt hatte, sofort auf sich. Sie habe die kurze Ecke nicht entscheidend zugemacht, und eine brillante Fußballerin wie Aitana Bonmati würde das natürlich direkt erkennen und ausnutzen.
„Es tut mir furchtbar leid, dass ich in dem Moment nicht da sein konnte. Die Mannschaft hätte es verdient gehabt, im EM-Finale zu stehen“, sagte die deutsche Torhüterin am Mittwochabend in Zürich.
Anders als in der Vergangenheit stellte sich Bundestrainer Christian Wück anschließend vor seine Spielerin. „Sie weiß selbst, dass die kurze Ecke immer doof ausschaut. Wir wissen aber auch, dass wir den Ball gar nicht hergeben müssen. Wir sind im sicheren Ballbesitz“, sagte Wück, wollte dabei aber niemandem einen Vorwurf machen.

Charlotte Bruch hat die Fußball-EM der Frauen vor Ort begleitet. Überzeugend beim deutschen Team fand sie vor allem dessen Widerstandsfähigkeit.
Tatsächlich hatte Spaniens Siegtorschützin Bonmati zuvor schon von Bergers Schwäche im kurzen Torwarteck gewusst. „Die Wahrheit ist, dass wir mit dem Trainerstab, mit den Analysten, mit dem Torwarttrainer die Torhüterin gut studiert hatten. Wir wussten, dass sie in dieser Situation manchmal den kurzen Pfosten frei lässt“, erklärte die zweimalige Weltfußballerin ihren Schuss aus spitzem Winkel.
Diese Aussage steht ein wenig sinnbildlich für dieses Spiel, aber auch die anderen deutschen Auftritte bei diesem Turnier. Die Bereitschaft, ans körperliche Limit zu gehen, und die richtige Einstellung konnte man der deutschen Nationalelf nie absprechen. Auch gegen Spanien leistete sie 113 Minuten lang erbitterten Widerstand.
Doch es wirkte oftmals so, als ob jeder Gegner bestens auf Deutschland eingestellt war und entsprechende Lösungen fand. Während Wücks Team aufgrund spielerischer Limitiertheit seinerseits Antworten fehlten und es in keinem der Spiele fußballerisch wirklich überzeugen konnte.
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Das fängt mit Bergers Leistungen an, die überwiegend stark waren – vor allem gegen Frankreich –, aber auch von kleineren Unsicherheiten geprägt waren, etwa gegen Schweden. Für die spanische Elf und Trainerin Montserrat Tome war es zudem keine Überraschung, dass Deutschland erneut tief stehen würde, nachdem diese Herangehensweise bereits gegen Frankreich funktioniert hatte.
Diese Taktik ist auch nicht zwingend die falsche gewesen, immerhin kaschierte sie Tempodefizite der Abwehrkette und minimierte die Konteranfälligkeit. Auf Dauer kann es aber nicht funktionieren, wenn eigene Umschaltsituationen nicht irgendwann in Torchancen umgemünzt werden und so für Entlastung gesorgt wird.
„Wir haben das über weite Strecken gut verteidigt und standen kompakt“, sagte Sara Däbritz. „Wir haben versucht, nach vorne schnell umzuschalten und hatten auch unsere Momente. Da hat aber vielleicht das Glück gefehlt. Komplett alles verteidigen ist natürlich schwer.“
Keine Frage des Glücks, sondern fehlender Qualität
Wenn man in fünf Spielen allerdings nur sechs Tore erzielt und lediglich zwei davon aus schönen Spielzügen resultieren, ist es letztlich keine Frage des Glücks, sondern fehlender Qualität. Jule Brand und Klara Bühl zeigten insgesamt zwar ein starkes Turnier, konnten in den entscheidenden Spielen aber nicht ihr volles Potenzial abrufen. Gerade das fehlt ihnen noch für das Prädikat Weltklasse.
Auch die Stürmerinnenposition war bis zum Ende nicht optimal besetzt. Während Giovanna Hoffmann gerade im Viertelfinale mit ihrer Physis überzeugte, ging dieses Konzept gegen die Spanierinnen nicht auf. Lea Schüller hingegen leistete sich immer wieder technische Fehler und Ungenauigkeiten im Abschluss. Diese Fähigkeiten braucht es aber, um aus den wenigen Torchancen Kapital zu schlagen.
Unsere Mannschaft ist unglaublich. Ich bin so stolz auf die Mädels und ich glaube, da wächst was Großes zusammen.
Rebecca Knaak, deutsche Nationalspielerin
Ein weiterer Punkt sind die Verletzungen und Sperren bei diesem Turnier. Solche Ausfälle können passieren, legten in diesem Fall aber die risikoreiche Kaderplanung Wücks hinsichtlich des defensiven Mannschaftsteils offen. Der Bundestrainer selbst hob die „sensationellen Leistungen“ der jungen Außenverteidigerinnen Carlotta Wamser und Franziska Kett hervor, die Giulia Gwinn und Sarai Linder ersetzen mussten, setzte das aber ins Verhältnis zur fehlenden Einsatzzeit in ihren Vereinen.
Gerade auf diesen Positionen hätte es möglicherweise mehr Weitsicht gebraucht, indem man Kett und Wamser früher auf höchstem Niveau eingesetzt hätte. Vor allem, wenn das deutsche System in seiner ursprünglichen Form darauf ausgelegt ist, dass die Außenverteidigerinnen nicht nur defensiv dagegenhalten, sondern auch offensiv Akzente setzen sollen. Wamser gelang das teilweise, Kett hingegen nicht.
Was letztlich am meisten überzeugte, war die große Widerstandsfähigkeit der deutschen Nationalelf. Aus jedem noch so großen Rückschlag konnte sie Energie ziehen – mit Ausnahme des Gruppenspiels gegen Schweden. Das deutsche Team profitierte bei diesem Turnier von einem starken Teamgeist und kam aufgrund seiner Mentalität so weit in diesem Turnier.
„Unsere Mannschaft ist unglaublich. Ich bin so stolz auf die Mädels und ich glaube, da wächst was Großes zusammen“, sagte Rebecca Knaak. Doch auch ihr dürfte bewusst sein, dass solch weiche Faktoren allein am Ende nicht für das ganz große Ziel, den Titel, reichen.