Wenige Tage vor dem Eklat um die Nominierung von Frauke Brosius-Gersdorf hat einer der renommiertesten Rechtswissenschaftler Deutschlands, Ekkehart Reimer, einem Medienbericht zufolge den Wikipedia-Eintrag zu ihrer Person verändert und um ihre Position zum Schwangerschaftsabbruch ergänzt. Das berichtet „t-online“. Demnach hat Reimer den Vorgang gegenüber der Redaktion bestätigt.
In einer Stellungnahme schrieb Reimer „t-online“ zufolge, er habe sich zu dem Eingriff veranlasst gesehen, „weil diese Frage in der in diesen Tagen aufkeimenden politischen und wissenschaftlichen Diskussion zentral, in der vorherigen Wikipedia-Fassung aber unterbelichtet, ungenau und unbelegt war“. Er habe die Bearbeitung bewusst unter seinem Klarnamen durchgeführt.
Ich nehme sie als Aktivistin wahr, die über eine Neuinterpretation des Grundgesetzes ein deutsches ‘Roe v. Wade’ erreichen will.
Ekkehart Reimer gegenüber „t-online“
Nachdem die „FAZ“ am 30. Juni erstmalig über die mögliche Berufung von Brosius-Gersdorf berichtete, griffen rechtsgerichtete Plattformen wie Apollo News und Nius die Juristin wiederholt an und warfen ihr verfassungsrechtlich bedenkliche Positionen vor. In der juristischen Fachwelt gilt sie als ausgesprochen kompetent. In der Folge äußerten sich auch zunehmend Mitglieder der Unionsfraktion kritisch. Sie ließen ihre Wahl zehn Tage später im Bundestag absetzen.
Gegenüber „t-online“ äußerte Reimer starke Vorbehalte gegenüber ihrer Kandidatur. „Ich nehme sie als Aktivistin wahr, die über eine Neuinterpretation des Grundgesetzes ein deutsches ‘Roe v. Wade’ erreichen will. Darin liegt ein Bruch mit der gesamten bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 2 GG“, schrieb er dem Portal zufolge. Die Entscheidung „Roe v. Wade“ hatte 1973 die rechtliche Grundlage für einen breiten Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in den USA geschaffen.
Zum Zeitpunkt der Änderung am 25. Juni, so Reimer gegenüber „t-online“, sei Brosius-Gersdorfs Nominierung „allgemein, insbesondere in der Staatsrechtslehre, bekannt“ gewesen. Mit Stephan Harbarth, dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, habe er sich dazu nicht ausgetauscht.
Harbarth ist seit 2018 Honorarprofessor an der Universität Heidelberg und an derselben juristischen Fakultät, die Reimer bis 2020 leitete und an der er auch weiterhin lehrt. Beide studierten dort Anfang der 1990er-Jahre.
Die Berufung Harbarths hatte deswegen für Diskussionen gesorgt, weil die Universität sich weigerte, die entsprechenden Gutachten offenzulegen. Kritiker vermuteten politischen Einfluss, um Harbarth den Wechsel ans Verfassungsgericht zu erleichtern. Reimer hat diese Vorwürfe stets zurückgewiesen.