Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat das digitalisierte Einbürgerungsverfahren in der Hauptstadt gegen Kritik aus der Union im Bund und aus anderen Bundesländern verteidigt. Es habe Meldungen gegeben, die „so nicht ganz richtig sind“, sagte Wegner bei einem Termin im Landesamt für Einwanderung (LEA). Damit bezog er sich auf eine Reihe von Berichten der „Bild“-Zeitung und Äußerungen Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU). Es sei der Eindruck entstanden, „wir würden die deutsche Staatsbürgerschaft in Berlin verscherbeln“, sagte Wegner. „Das wird es mit mir nicht geben. Mein Eindruck ist, dass das auch nicht passiert.“
„Es gab keinerlei politische Vorgaben, wie viele Einbürgerung stattfinden müssen. Es wird auch keine geben“, sagte Wegner. Ihm sei nicht Quantität, sondern Qualität wichtig. Es habe in Berlin einen massiven Rückstau bei den Einbürgerungsanträgen gegeben, „die Bezirke waren ein stückweit überfordert“, sagte Wegner. Deshalb seien die Verfahren beim LEA zentralisiert worden und mehr Personal bereitgestellt worden. Er habe sich bei seinem Besuch davon überzeugen können, dass die Anforderungen und Sicherheitsstandards im digitalen Verfahren geprüft und sichergestellt werden.
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„Ich habe ein digitales Einbürgerungsverfahren begleitet. Es dauerte neun Monate, in denen gründlich geprüft wurde. Im Rahmen der Prüfung waren einige Rückfragen zu mehreren Sachverhalten zu beantworten, alle Rückfragen kamen digital in einem Rutsch, konnten umgehend digital beantwortet werden und die geforderten Unterlagen nachgereicht werden. Beim abschließenden Termin im Amt wurden alle digital eingereichten Unterlagen im Original vorgelegt und erst nachdem diese abgeglichen worden waren, die Einbürgerung vorgenommen. Das Verfahren war gründlich und trotzdem effizient organisiert. Ich würde mir wünschen, die Verwaltung würde in allen Bereichen so gut arbeiten!“ Diskutieren Sie über folgenden Link mit MathieBln
„Das ist richtig gut, was hier geschaffen wurde und wird“, sagt Wegner zu dem digitalisierten Verfahren. „Ich wünsche mir, dass das in anderen Verwaltungen genauso läuft, damit Geschwindigkeit in die Verwaltungsprozesse kommt“, erklärte der Regierende Bürgermeister. „Wir setzen geltendes Recht um und das machen wir wirklich gut.“ Berlin sei mit hohen Zahlen an Einbürgerungen nicht allein. „Die hatten nur nicht so einen Rückstau“, sagte Wegner. Die Mitarbeiter im LEA „machen in Berlin einen guten Job und zeigen, was gut digitalisierte Prozesse machen können“.
Deutschland ist ein Einwanderungsland.
Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister von Berlin bei seinem Besuch im LEA
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagte, sie lade Bundesinnenminster Dobrindt in das LEA ein, damit er sich davon überzeugen könne, dass das digitale Verfahren sicher sei. „Die Bundesregierung hat extra ein Amt für Digitalisierung. Und hier können Sie sich gerne mal anschauen, wie Digitalisierung wirklich tatsächlich läuft“, erklärt die Senatorin.
Bis Ende 2023 waren die Bezirksämter für die Einbürgerungsverfahren zuständig. Die Fälle stapelten sich, ohne Beratungsgespräch war – wie in anderen Bundesländern – kein Antrag möglich, aber die Termine für Gespräche waren rar. Die Bilanz: 9000 Einbürgerungen pro Jahr. 40.000 nicht entschiedene Altfälle landeten Anfang 2024 beim LEA, einige waren mehr als zehn Jahre alt, ein Antrag war von 2003.
2024 übernahm das LEA und konnte 21.802 Menschen mit dem zentralen Digitalverfahren einbürgern, im ersten Halbjahr 2025 sind es 20.000. Bis Jahresende setzt Behördenchef Engelhard Mazanke auf 40.000 Fälle. Diese Zahl hat er durch eine Analyse des Verfahrens und der Personalstärke errechnet – und anhand der Maßgabe, dass Behörden auch wirtschaftlich zu arbeiten haben. Mit dem digitalen Verfahren könnten Täuschungsversuche sogar besser entdeckt werden, sagte er.
Behördenchef warnt vor Welle von Einbürgerungsanträgen von Ukrainern
Mazanke warnte zugleich von einer neuen Welle von Einbürgerungsanträgen in zwei Jahren, bis dahin müsse der alte Antragsstau abgearbeitet werden. „Wenn sich am Einbürgerungsrecht nichts ändert, haben wir mehrere Zehntausende integrierte ukrainische Kriegsflüchtlinge, die 2027 einen Antrag stellen werden, weil sie Deutsche werden wollen.“ Das sei die nächste Herausforderung.
„Deutschland ist ein Einwanderungsland“, sagte Wegner. Er forderte die Bundesregierung angesichts des wachsenden Fachkräftemangels auf, „dass wir uns wie andere Einwanderungsländer wie Kanada Regeln geben für diese Einwanderung. Die Bundesregierung müsse über das bestehende Fachkräfteeinwanderungsgesetz „noch mal einen Schritt weitergehen“.
Wegners Besuch bei LEA ist ein Signal – und Ausdruck einer Lernkurve des Regierenden. Seit mehr als zwei Wochen fährt die „Bild“-Zeitung eine Kampagne gegen die Einbürgerungspraxis des LEA. Sekundiert von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), Innenpolitikern der Union und Innenministern der CDU aus anderen Bundesländern.
Der Tenor: Berlin betreibe eine Turbo-Einbürgerung und verramsche massenhaft den deutschen Pass an Ausländer. Kritisiert wurde, dass Antragsteller erst bei einem Termin zur Übergabe der Einbürgerungsurkunde beim LEA zum persönlichen Gespräch kommen müssten. Angezweifelt wurde auch, dass das LEA Islamisten und Terroristen bei dem komplett digitalisierten Verfahren nicht aussieben könne, weil sie nicht schon vorher bei einem Gespräch gewissenhaft begutachtet werden könnten. Und mit all dem torpediere Berlin unter CDU-Führung die von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) forcierte Migrationwende.

© Alexander Fröhlich
Zunächst hatte auch Wegner Zweifel an der Rechtmäßigkeit des rein digitalen Einbürgerungsverfahrens geweckt. „Ich habe die zuständige Innensenatorin gebeten, darzulegen, wie sichergestellt wird, dass eine sorgfältige Prüfung dieser gesetzlichen Voraussetzungen garantiert wird“, hatte Wegner gesagt. Ins Visier nahmen die Unionspolitiker auch, dass es die Vorgabe gäbe, in diesem Jahr müsste es 40.000 Einbürgerungen geben.
In der vergangenen Woche ruderte er dann im Abgeordnetenhaus zurück: Innensenatorin Iris Spranger (SPD) habe ihm versichert, dass das Einbürgerungsverfahren rechtlich sauber und ordnungsgemäß verlaufe. Doch die „Bild“ machte weiter, zitierte erneut Dobrindt. Der sagte, „die Genauigkeit der Prüfung“ könne bei Einbürgerungsverfahren „der einzige Maßstab sein und nicht eine vermeintliche Quotenerreichung“. Er könne sich „schlecht vorstellen“, dass der Verfassungstreuecheck „ohne persönliche Vorsprache funktioniert“.
Tatsächlich sind führende Köpfe der CDU in Berlin schon viel weiter. Finanzsenator Stefan Evers lobte das LEA gar als Vorbild für die gesamte Verwaltung. „Beim Landeseinbürgerungsamt sehen wir jetzt vor allem das Ergebnis einer besser funktionierenden Struktur und effizienter, digitaler Prozesse“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel-Checkpoint. „Das wünsche ich mir auch in vielen anderen Bereichen.“

© dpa/David Hammersen
Die Kritik an den sogenannten „Turbo-Einbürgerungen“, die noch von der Ampel-Regierung beschlossen wurde, könne er zwar verstehen. „Das muss man aber wirklich unterscheiden von gelungener Verwaltungsmodernisierung in Berlin.“
Beim Landeseinbürgerungsamt sehen wir jetzt vor allem das Ergebnis einer besser funktionierenden Struktur und effizienter, digitaler Prozesse.
Stefan Evers (CDU), Senator für Finanzen
In den vergangenen Jahren hätten zu viele Menschen jahrelang auf ihre Einbürgerung warten müssen – obwohl sie alle Voraussetzungen erfüllten. „Die Bezirke waren mit den Verfahren schlicht überlastet. Das Land hat deshalb diesen enormen Rückstau übernommen, prüft die Fälle sorgfältig und arbeitet sie jetzt rechtsstaatlich ab. Da gibt es auch keine Absenkung der Anforderungen.“
CDU-Innenexperte Burkard Dregger weist Kritik zurück
Auch CDU-Innenexperte Burkard Dregger wies die Kritik zurück. Er müsse seinen Parteikollegen im Bund und aus anderen Bundesländern und dem Eindruck, „wir würden jetzt über ein digitales Verfahren Menschen massenweise einbürgern, ausdrücklich widersprechen“. Das Gegenteil sei der Fall, sagte er.
„Die Migrationswende findet statt, aber die hat mit Einbürgerungen nichts zu tun.“ Irreguläre Migration werde gestoppt, es gebe mehr Abschiebungen. „Bei der Einbürgerung geht es darum, dass Menschen, die die Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllen, auch eingebürgert werden sollen. So sieht das das Bundesrecht, das Staatsangehörigkeitsrecht vor“, sagte der Innenpolitiker.
Wir haben es in den vergangenen zwei Jahren geschafft, in Berlin die effizienteste, am besten digitalisierteste Einbürgerungs- und Ausländerbehörde Deutschlands zu schaffen.
Burkard Dregger, CDU-Innenexperte
„Wir haben es in den vergangenen zwei Jahren geschafft, in Berlin die effizienteste, am besten digitalisierteste Einbürgerungs- und Ausländerbehörde Deutschlands zu schaffen.“ Bis Ende 2023 sei die Verwaltung bei der Einbürgerung, damals waren die Bezirke zuständig, „desorganisiert und dysfunktional“ gewesen. „Die anderen Bundesländer sind neidisch auf das, was wir hier erreicht haben“, sagte Dregger. „Und wir werden in zehn Jahren spätestens bei allen Bundesländern entsprechend digitalisierte Ausländerbehörden sehen. Wir sind hier das Vorbild in Berlin, wie es funktioniert.“
40.000 nicht entschiedene Altfälle landeten beim LEA
Zudem haben Antragsteller nach dem Gesetz einen Anspruch auf eine Einbürgerung, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen. Wer eingebürgert werden möchte, darf nicht vorbestraft sein, muss eine eigene Wohnung haben, den Lebensunterhalt für sich und seine Familien ohne Stütze allein bestreiten können, folglich auch Steuern zahlen. Er oder sie muss den Sprach- und Einbürgerungstest bestehen. Sie müssen seit fünf Jahren mit gültiger Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland leben und eine Loyalitätserklärung abgeben.
Einbürgerungswillige müssen sich zur historischen Verantwortung Deutschlands bekennen
Damit bekennen sie sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung und erklären, dass sie keine verfassungswidrigen oder terroristischen Bestrebungen verfolgen oder unterstützen. Nötig ist auch das Bekenntnis zu Deutschlands historischer Verantwortung für die NS-Unrechtsherrschaft und ihre Folgen, zum Schutz jüdischen Lebens und zum Verbot von Angriffskriegen.
Für das digitale Verfahren müssen keine Papierakten mehr zwischen Ausländeramt, Sicherheitsbehörden und Asylbehörden hin und her geschickt werden. Der gesamte Aufenthalt, Asylantrag, Aufenthaltsgenehmigungen, Schriftverkehr, Belege für Sprachkompetenz und der Einbürgerungstest, Abfragen bei Polizei, Justiz und Verfassungsschutz, Identitätscheck – alles ist digital in einer Akte und überprüfbar. Dadurch werden auch Täuschungsversuche schneller erkannt.
Selbst beim abschließenden Rechtsgespräch vor Übergabe der Urkunde kann die Einbürgerung beim kleinsten Zweifel, auch beim äußeren Erscheinungsbild, noch gestoppt werden. Beim LEA wird bezweifelt, dass Mitarbeiter von Ausländerbehörden anderer Bundesländer, die nicht vernetzt ist, die keine kompletten Akten haben, bei einem Gespräch genauso Widersprüche aufdecken können, wie es beim digitalen Verfahren schon möglich ist.