Markus Söder ist empört. „Das machen wir nicht mehr mit“, sagte der bayerische Ministerpräsident am Dienstag. Sein Ärger gilt dem sogenannten Länderfinanzausgleich.
Bayern wolle an seiner Klage gegen den Verteilungsmechanismus in Karlsruhe festhalten, erklärte der CSU-Chef. „Und wenn es keine Einigung mit den Ländern gibt, wird dieser Finanzausgleich – leider erst zum Ende des Jahrzehnts – definitiv gekündigt.“
Die Verwaltungswissenschaftlerin Nathalie Behnke von der TU Darmstadt sagt: „Das sind völlig leere Drohungen.“ Der Länderfinanzausgleich sei vom Bundestag und Bundesrat beschlossen, ein Austritt nicht so einfach möglich. „Da ist viel politische Rhetorik dabei, aber wenig Substanz.“
Bayern zahlt, Berlin profitiert
Dass finanzstarke Bundesländer wie Bayern scharfe Kritik am Länderfinanzausgleich üben, ist nichts Neues. Befeuert wird Söders Kritik jedoch durch neue Zahlen des Bundesfinanzministeriums, die der dpa vorliegen. Sie zeigen, dass sich das Volumen des Länderfinanzausgleichs im ersten Halbjahr 2025 auf einen Rekordwert von über elf Milliarden Euro beläuft.
Wie bereits ist den Vorjahren ist Bayern dabei das größte Geberland: Rund 6,7 Milliarden Euro kostete der Länderfinanzausgleich den Freistaat in der ersten Jahreshälfte. Baden-Württemberg und Hessen trugen rund zwei Milliarden, Hamburg gut 300 Millionen Euro bei.
Alle anderen Bundesländer sind Nehmerländer, erhalten also Geld aus dem Verteilungsmechanismus. Berlin profitierte dabei am meisten: Zwei Milliarden Euro erhielt die Hauptstadt zwischen Januar und Ende Juni, gefolgt von Sachsen mit 1,9 und Thüringen mit knapp 1,2 Milliarden Euro.
Ein Instrument für einheitliche Lebensverhältnisse
Der Länderfinanzausgleich soll dafür sorgen, „dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird“ – so legt es Artikel 107 des Grundgesetzes fest. Der Verteilungsmechanismus dient damit dem Zweck, „die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ zu wahren, wie es in Artikel 106 heißt.
Doch wie funktioniert der Länderfinanzausgleich überhaupt? Er findet in mehreren Stufen statt, erklärt Nathalie Behnke. Die Professorin leitet den Arbeitsbereich „Öffentliche Verwaltung, Public Policy“ an der TU Darmstadt.
Grundsätzlich gebe es Steuereinnahmen, die allein an die Länder oder den Bund gingen, sagt Behnke. „Dann gibt es noch die Gemeinschaftssteuern, die Bund und Ländern gemeinsam anteilig zustehen.“ Das seien unter anderem die Lohn- und Einkommens- sowie die Umsatzsteuer.
„Diese Gemeinschaftssteuern werden sozusagen erst einmal in einen großen Geldtopf geschmissen und anschließend zwischen Bund und Ländern verteilt“, sagt die Expertin. Das sei der erste Schritt. Im zweiten Schritt gehe ein Teil der Einnahmen an den Bund und ein Teil an die Länder.
Verteilt werden die Umsatzsteuereinnahmen
Der Anteil der Gemeinschaftssteuern, der den Ländern zusteht, wird über unterschiedliche Mechanismen verteilt. Lohn- und Einkommenssteuer fließen anteilig an die Länder zurück, und zwar nach dem sogenannten örtlichen Aufkommen, also je nachdem, wie viel Geld sie eingenommen haben.
Der Anteil Umsatzsteuer, der an die Länder zurückfließt, wird hingegen nach einem anderen Prinzip verteilt. Hier greift der Länderfinanzausgleich.
„Die Umsatzsteuer wird zwischen den Ländern anteilig zur Bevölkerungszahl verteilt“, erklärt Behnke. „Auf diese Verteilung werden Zuschläge und Abschläge angerechnet, je nachdem, ob ein Land über eine über- oder unterdurchschnittliche Finanzkraft verfügt.“
Welchen Anteil an den Umsatzsteuereinnahmen ein Bundesland erhält, werde mit einer komplizierten Formel berechnet, der sogenannten Finanzkraftmesszahl. „Dadurch bekommen Länder mit niedrigen Steuereinnahmen und einer großen Bevölkerung mehr Geld als andere“, erklärt die Professorin.
Bayern überweise also kein Geld an ärmere Bundesländer: „Es erhält einfach prozentual nicht so einen hohen Anteil an den Umsatzsteuereinnahmen, wie ihm nach der Bevölkerungszahl zustehen würde.“
Welche Optionen hat Bayern?
Wie fair dieser Verteilungsmechanismus ist, darüber wird schon seit Jahrzehnten gestritten. Aus dem Finanzierungsmechanismus austreten, wie Söder es ankündigt, könne ein Bundesland allerdings nicht, sagt Behnke: „Die Abschlagszahlungen sind im Finanzausgleichsgesetz geregelt. Das wird im Bundestag und Bundesrat beschlossen. Da kann Bayern nicht einfach aussteigen.“
Allerdings werde das Gesetz alle paar Jahre überarbeitet. „Erst, wenn es so weit ist, kann Bayern versuchen, Vorteile für sich herauszuholen“, so die Professorin: „Blockieren kann die CSU allein das Gesetz aber weder im Bundestag noch im Bundesrat.“ So bleibe dem Freistaat nur die Hoffnung auf Karlsruhe.
Das sind völlig leere Drohungen.
Nathalie Behnke, Professorin für Verwaltungswissenschaft, über Markus Söders Ankündigung, aus dem Länderfinanzausgleich auszutreten
An der Klage, die Bayern 2023 vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Verteilungsmechanismus eingereicht hat, wolle sein Land festhalten, erklärte Söder am Dienstag: „Wir bleiben dabei: Wir klagen weiter.“
Verwaltungswissenschaftlerin Behnke sieht durchaus Spielraum für Änderungen. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Bundestag könnten etwa entscheiden, gleichwertige Lebensverhältnisse neu zu interpretieren.
Dann müssten die ärmeren Bundesländer künftig mit weniger Steuereinnahmen auskommen als wohlhabendere Länder. Ob es dazu kommt, ist jedoch offen.