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Berlins Vergesslichkeiten: Wo bleibt eigentlich das „Archäologische Fenster“ am Roten Rathaus?

2025-12-09
In leben Vom Nikolaus Bernau

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Berlins Vergesslichkeiten: Wo bleibt eigentlich das „Archäologische Fenster“ am Roten Rathaus?

Derzeit köchelt das Skandal-Bauen in Berlin leise vor sich hin, aber sicher wird es wieder aufblubbern, jede Wette. Bis dahin gehen wir mal spazieren. Kürzlich am U-Bahnhof Rotes Rathaus. Ich erklärte einigen Freunden lokalpatriotisch erhoben, dass hier einmal eines der größten Rathäuser Nordostdeutschland stand, größer als das in Prenzlau und schon gar als jenes in Brandenburg / Havel. Size matters.

Mit einer richtigen Tuchhalle von 1320. Berlin war nämlich was im Mittelalter, auch wenn St. Marien das nicht wirklich zeigt. Offenbar war Berlin auch damals schon unfromm, wurde gekalauert. Also führte ich weiter nach St. Nikolai. Mit dieser Kirche konnte eine aufstrebende Stadt sich doch gut repräsentieren, oder?

Nikolaus Bernau ist Architekt und Kunsthistoriker, lebt in Berlin und Hamburg, forscht und lehrt zur Denkmalpflege-, Wohnungsbau-, Museums- und Bibliotheksgeschichte.

Nicht ganz Brandenburger und Prenzlauer Format, aber immerhin. Vor allem der Hallenumgangschor – herrliches Wort, es bedeutet, dass die um den Chor gelegten Gewölbe fast genauso hoch sind wie dessen Gewölbe – ist ein feines Stück Architektur: dieses Profil, dieser Lichtfluss, dieser Klang …

Inspiriert von der Spandauer Nikolai-Kirche

Allerdings, es muss zugestanden werden (zum Hauptstädter gehört die umstandslose Anerkennung der Leistung anderer): Der Berliner Chor orientierte sich wie viele Stadtkirchen der Mark Brandenburg am Hallenumgangschor der Spandauer Nikolai-Kirche. Vor 25 Jahren erschien ein schönes Buch dazu, von Ernst Badstübner und Dirk Schumann herausgegeben (Lukas-Verlag, 36 Euro – immer noch ein gutes Geschenk für Regionalpatrioten).

Danach steht der längste Brandenburger Hallenumgangschor in Luckau. Immerhin, auch in einer Nikolai-Kirche. So wie die Friedens-Kirche in Frankfurt an der Oder solch eine Choranlage hat, die bis 1929 dem Heiligen der Kaufleute und Diebe, Jungfrauen und Huren, Studenten und Kinder gewidmet war. Gibt es eine spezielle Verbindung zwischen dem Heiligen des 6. Dezember und dieser Bauform? Die KI versagt kläglich, wieder mal.

Vom alten Rathaus sieht man nichts

Als wir zurück zum Alex gingen und nun über scheiternde Hochhausplanungen spintisierten, erinnerte ich mich: 2010 entdeckten Archäologen vor dem Bau der U-Bahn überrascht, wie gut die Reste des alten Rathauses erhalten waren.

Die Stadtverordnetenversammlung hatte sie 1865 genau deswegen sorgfältig verschütten lassen. 2012 versprach Senatsbaudirektorin Regula Lüscher nach heftigen Protesten gegen den Abbruch dieses Zeugnisses einstiger Berliner Größe, dass ein „Archäologisches Fenster“ mit Gewölberesten entstehen soll.

Die BVG bereitete das schon mal teuer vor. Aber beim Versprechen des Fensters in die Vergangenheit blieb es bisher, auch Lüschers Nachfolgerin Petra Kahlfeld trat nicht in Aktion. Vom alten Rathaus sieht man also – nichts. Ein Dauerskandal. Und die Wette ist gewonnen.

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