Nach der Demonstration von syrischen Anhängern der neuen islamistischen Machthaber in Damaskus am Wochenende vor dem Roten Rathaus hat Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) mit Abschiebungen gedroht.
„Ich möchte diese Bilder nicht haben, wo Mordaufrufe stattfinden, wo zur Vergewaltigung aufgerufen wird und Terrororganisationen verherrlicht werden“, sagte Wegner am Donnerstag dem Tagesspiegel. „Das bedauere ich sehr, das kritisiere ich auch scharf. Das gehört nicht zu einer Stadt der Freiheit, zu einer statt der Vielfalt und der Toleranz.“
Bei Hass und Hetze, Mordaufrufen und Terrorverherrlichung sei für ihn völlig klar, „dass diese Menschen in unserer Stadt, in unserem Land nicht zu suchen haben“, sagte der Regierende Bürgermeister. „Wenn die Polizei beweissichere Bilder hat, würde ich mir sehr wünschen, wenn es der Rechtsstaat denn hergibt, dass wir diese Menschen noch konsequenter abschieben und diese Menschen unser Land verlassen.“
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sagte, sie habe die Polizei um einen Bericht und eine Auswertung der Geschehnisse gebeten. „Da gibt es entsprechende Fotos, es gibt Videos, das wird jetzt alles ausgewertet“, erklärte sie. „Wir müssen alles genau auswerten und die Staatsanwaltschaft muss entscheiden, wie es weiter geht. Das ist ein normales Verfahren.“ Dann werde auch geprüft, welchen Aufenthaltsstatus die Demo-Teilnehmer haben.
Schere als Zeichen des Jubels über Gewalt gegen Drusen
Am Sonnabend hatten sich bis zu 400 Syrer, darunter Anhänger des neuen islamistischen Präsidenten Ahmed al-Scharaa, vor dem Roten Rathaus versammelt. Sie riefen zu Mord und Vergewaltigung an Drusen, einer aus dem Islam hervorgegangenen eigenen Religionsgemeinschaft, in ihrem Heimatland auf. Die Polizei war 70 Beamten bei der Kundgebung im Einsatz, sie schritten jedoch nicht ein. Von der Demonstration sind mehrere Videos im Umlauf.
„Ein Dolmetscher stand an diesem Tag nicht zur Verfügung, sodass zwei arabisch sprechende Dienstkräfte mit dem Bewerten der Ausrufe und Sprechchöre beauftragt waren“, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag. Sie hätten keine Aufrufe zu Gewalt oder strafrechtlich relevante Parolen feststellen können. Weil die Kundgebung dynamisch und laut gewesen sei, sei nicht auszuschließen, „dass nicht alle Ausrufe polizeilich wahrnehmbar waren“. Am Mittwoch sei bei der Internetwache eine Strafanzeige zu einem Instagram-Video erstattet worden. Deshalb ermittle der für politische Straftaten zuständige Staatsschutz beim Landeskriminalamt nun wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten.
Zu der Kundgebung war über die sozialen Netzwerke aufgerufen worden. Ein Influencer hatte dabei mit der Hand eine Scherenbewegung imitiert. In den sozialen Medien und auf diesen islamistischen Demonstrationen werden Scheren gezeigt – als Symbol. Damit werden die Massaker und die Gewalt an den Drusen verherrlicht. Islamisten benutzten die Schere in den vergangenen Jahren im Nahen Osten, um Anhänger religiöser Minderheiten zu demütigen.
Wie die Nazis: Islamisten schneiden Gegnern Bärte ab
Die Dschihadisten-Miliz „Islamischer Staat“ schnitt etwa Jesidischen Geistlichen in Syrien und Irak die Schnurbärte ab, weil die nach dem Islam ein Zeichen der Ungläubigen seien. Auch bei den jüngsten Massakern in Syrien wurden drusischen Geistlichen die Schnurbärte abgeschnitten. Einige wurden exekutiert, Islamisten hielten auch abgeschnittene Köpfe in die Kameras.
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Mit dem Abschneiden der Bärte sollen Betroffenen nicht nur gedemütigt werden – sie werden in ihrer Menschenwürde angegriffen. Die Opfer werden damit entmenschlicht. Auch im Dritten Reich unter den Nationalsozialisten war die Praxis verbreitet. So schnitten Wehrmachtssoldaten jüdischen Männern in besetzten Gebieten auf öffentlichen Plätzen Schläfenlocken und Bärte ab.
Sunnitische Stammesmänner und Regierungseinheiten hatten in der Provinz Suweida in den vergangenen Wochen Angriffe und Massaker an Drusen verübt. Laut Menschenrechtsgruppen wurden mehr als 200 Menschen getötet, teilweise enthauptet und ganze Dörfer niedergebrannt. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) und die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) sprechen von einer geplanten ethnischen Säuberung. Die Drusen hatten die Provinz am Wochenende wieder zurückerobert.
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Der Verein Democ, der antidemokratische Bewegungen dokumentiert, war bei dem Auflauf vor dem Roten Rathaus am Sonnabend dabei und berichtete davon. Demnach glorifizierten die meist jungen Männer, Anhänger dschihadistischer Bewegungen sowie des Präsidenten al-Scharaa, die Gewalt islamistischer Milizen gegen Drusen und andere religiöse Minderheiten in Syrien.
Dokumentiert worden sind etwa Sprechchöre wie „Freies Syrien, freies Syrien – und der Druse soll raus!“ und Parolen gegen Alawiten und Zionisten. Teilnehmer riefen auch: „Heute befreien wir Suweida. Und wir werden die Drusen beugen“. Oder: „Bring uns die israelische Fahne, damit wir sie verbrennen.“ Ebenfalls belegt sind dschihadistische Parolen wie: „Es ist für Gott, weder für Macht noch für Ruhm.“
Dabei sei auch ein vulgärer und extrem gewaltverherrlichender Ausdruck aus dem syrischen Arabisch verwendet worden, der zur sexuellen Erniedrigung und Ermordung von Drusen aufrufe. Zudem beziehe sich der Ausdruck im regionalen Sprachgebrauch auf die erzwungene Körperhaltung, bevor sie auf Knien hingerichtet werden.
In Berlin leben zahlreiche aus Syrien geflüchtete Drusen, die mit Entsetzen und Fassungslosigkeit die jüngsten Freudenfeiern syrischer Islamisten und von Anhängern des neuen Machthabers Ahmed al-Scharaa über die Massaker in der syrischen Stadt Suwaida an der Grenze zur Jordanien verfolgten. Infolgedessen hatten sich Drusen in Berlin immer wieder zu Protest-Demos versammelt.
Ein weiterer Demonstrationszug unter dem Motto „Solidarität mit den Drusen“ startet am Freitag, 25. Juli, um 15 Uhr in Berlin vor dem Auswärtigen Amt. Die Demo soll zum Brandenburger Tor führen, die Kundgebung anschließend vor der US-Botschaft stattfinden. Eingeladen seien alle Menschen jeglicher Religions- oder ethnischen Zugehörigkeit, sagte der Berliner Drusen-Vertreter Tareq Alaows. (mit kög)