Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) weist die Kritik seines Hamburger Amtskollegen, die Abschiebung mehrerer Afghanen verhindert zu haben, deutlich zurück. Das geht aus einem gemeinsamen Statement von Wegner und Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt.
In der Stellungnahme heißt es, dass das Hamburger Amt für Migration bei der Polizei Berlin die Abschiebung der drei Personen nach Schweden zwar beantragt hätte, aber auf Intervention des Innenressorts auf einen Einsatz in Berlin verzichtet hätte. Die drei Afghanen befanden sich als konvertierte Christen in einer Berliner Kirche und erhielten dort Kirchenasyl.
In ungewöhnlich scharfen Worten hat Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) seinem Berliner Amtskollegen Kai Wegner (CDU) vorgeworfen, die Ausweisung mehrerer Afghanen aus dem Berliner Kirchenasyl verhindert zu haben. In dem Brief Tschentschers an Wegner, über den die „Berliner Zeitung“ berichtete, geht es um sogenannte Dublin-Fälle.
Verstreichung der Überstellungsfrist angeblich bewusste Entscheidung Hamburgs
„Für die angesprochenen Fälle der Überstellung nach der Dublin-III Verordnung ist allein die Freie und Hansestadt Hamburg zuständig“, kontert der Berliner Senat. Das Hamburger Amt für Migration hatte dem Statement zufolge entsprechende Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten erwirkt.
Aufgrund der in Berlin geltenden Weisungslage, das Kirchenasyl zu achten, wurde dem Amtshilfeersuchen nur insoweit entsprochen, als eine Abschiebung außerhalb der Kirchenräume durch die Hauptstadt unterstützt werde, heißt es weiter. Gleichzeitig hätte Berlin Hamburg angeboten, die Durchsuchungen mit eigenen Polizeikräften durchzuführen. Die Überstellungsfrist nach der Intervention des Hamburger Innenressorts verstreichen zu lassen, sei alleinige Entscheidung Hamburgs gewesen.
Über die Wortwahl eines Schreibens entscheidet jeder selbst, unsere Tonlage ist dies nicht.
Berlins Regierender Bürgermeister und Berlins Innensenatorin über die Vorwürfe des Ersten Bürgermeisters der Freien Hansestadt Hamburg.
Auch kritisieren der Regierende und die Innensenatorin den Ton des Ersten Bürgermeisters Hamburgs: „Über die Wortwahl eines Schreibens entscheidet jeder selbst, unsere Tonlage ist dies nicht“, lassen sie abschließend verlauten.
Hamburgs Senatssprecher Christopher Harms erklärte am Donnerstagmittag der Deutschen Presse-Agentur den Anlass für die Versendung des Schreibens. „Anlass ist die rechtlich vorgeschriebene Rücküberstellung von Personen, die sich nach den in Hamburg vorliegenden Informationen zum entsprechenden Zeitpunkt in einer Berliner Kirchengemeinde aufgehalten haben und deren Kirchenasyl nach Prüfung durch das BAMF abgelehnt wurde“, sagte er. BAMF steht für Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Senatssprecher: Hamburgs Bitte um Amtshilfe wurde abgelehnt
Zur Durchsetzung der Überstellung lägen auch jeweils gerichtliche Beschlüsse vor. Die zuständigen Behörden in beiden Städten hätten dazu im Austausch gestanden, sagte Harms. „Hamburg hat um Amtshilfe bei der Durchführung gebeten, diese jedoch nicht erhalten.“ Daraufhin habe der Erste Bürgermeister den Regierenden Bürgermeister um Unterstützung gebeten, „in diesem Sinne tätig zu werden“.
Laut „Berliner Zeitung“ sind die Afghanen in der evangelischen Dreieinigkeits-Gemeinde in Berlin-Steglitz untergebracht. Gegenüber dem Blatt sprach Pfarrer Gottfried Martens von „drei Personen in unserem Kirchenasyl, für die die Hamburger Ausländerbehörde zuständig ist“. Als überzeugte konvertierte Christen drohe ihnen bei einer Abschiebung nach Afghanistan „unmittelbare Gefahr an Leib und Leben“, wird er in der Zeitung zitiert.
Nach Angaben des Hamburger und Berliner Senats geht es aber nicht um eine Rückführung in das Heimatland der Afghanen, sondern in das für ihre Asylverfahren zuständige EU-Land Schweden.
Tschentscher schreibt von Missbrauch des Kirchenasyls
In seinem Brief schreibt Tschentscher der „Berliner Zeitung“ zufolge, dass der Rechtsstaat auf vielfältige Weise angegriffen werde. So komme es etwa „zu einem systematischen Missbrauch des Kirchenasyls, indem Flüchtlinge in Kirchenräume aufgenommen werden, deren Bleiberecht nach den Regeln des Kirchenasyls bereits überprüft und deren Rückkehrpflicht in einen anderen EU-Mitgliedsstaat rechtskräftig festgestellt wurde“.
Das Zusammenwirken von Kirchengemeinden und Berliner Polizei verhindere im Fall der Afghanen Tschentscher zufolge den Vollzug von Recht und Gesetz. Und: „Die Missachtung gerichtlicher Beschlüsse durch staatliche Stellen ist ein schwerer Schlag gegen den Rechtsstaat“, zitiert die Zeitung aus dem ihr nach eigenen Angaben vorliegenden Brief.
Da die Berliner Behörden ihr Verhalten mit einer „politischen Weisungslage“ begründet hätten, habe der Hamburger Bürgermeister seinen Berliner Kollegen darum gebeten, diese Weisungslage zu beenden.
Im September vergangenen Jahres war in der Hansestadt bereits ein Afghane aus einem Kirchenasyl nach Schweden abgeschoben worden. Da er kurze Zeit später wieder in Hamburg aufgetaucht war, musste er abermals in das skandinavische Land überstellt werden. (mit dpa)