Wer dachte, dass die SPD wüsste, was sie an ihm hat – weit gefehlt. Boris Pistorius mag der seit Monaten beliebteste deutsche Politiker sein, seine Genossen kümmert das wenig.
Der Verteidigungsminister in nahezu permanenter Selbstverteidigung: für seine Zukunft kein guter Ausblick.
Der jüngste Parteitag hat Folgen, weit über den Tag hinaus. Für viele in der Führung, aber eben auch für Pistorius. Von wegen Hoffnungsträger: Beim Thema Wehrpflicht entkam der Minister nur knapp einer Katastrophe.

Stephan-Andreas Casdorff ist Editor-at-Large des Tagesspiegels. Er findet: Pistorius entkam nur knapp einer Katastrophe.
Erst nach stundenlangen Verhandlungen mit den Jungsozialisten kam ein mehrheitsfähiger Beschluss zustande. Der verpflichtet Pistorius nicht nur nach Auslegung der Jusos, zunächst ein Modell ohne Option auf den Wechsel von der Freiwilligkeit zur Wehrpflicht vorzulegen. Das soll erst im zweiten Schritt möglich sein.
Man stelle sich vor, bei der Wehrpflicht wäre Pistorius gescheitert. Dann hätte er sich gleich aus Kabinett und Politik zurückziehen können. Wie sähe das denn aus: ein Minister ohne Rückhalt in der eigenen Partei!
Wer denkt, Pistorius könnte irgendwann Kanzler sein – nur in den Augen der Bevölkerung. In der SPD wäre es für ihn schon schwierig, Kanzlerkandidat zu werden.
Stephan-Andreas Casdorff, Editor-at-Large
So weit ist es nicht gekommen, aber der Beschluss fühlte sich doch auch wie eine Niederlage an. Wohl, um sich vom erwartbaren Eindruck abzusetzen, sprach Pistorius in der vorhergehenden Debatte nicht. Vorsichtshalber.
Er äußerte sich allerdings in einer Diskussion mit den Delegierten über das neue Nato-Ausgabenziel. Das sieht fünf Prozent der nationalen Wirtschaftskraft für Verteidigung und sicherheitsrelevante Infrastruktur vor. Der Wehrminister begründete das mit der russischen Bedrohung. Mehrere Vorredner lehnten die Milliardenausgaben allerdings ab – auch kein Sieg auf ganzer Linie.
Und was bringt die Zukunft? Wer denkt, Pistorius könnte irgendwann Kanzler sein – nur in den Augen der Bevölkerung. In der SPD wäre es für ihn schon schwierig, Kanzlerkandidat zu werden.
Pistorius erreicht das Herz der Genossen nicht. Das schlägt weiter links. Er muss um alle seine Positionen kämpfen.