Vor sechs Jahren wurden ausleihbare E-Scooter in Deutschland zugelassen – und schon genauso lang weist die Fußgängerlobby auf die Gefahren hin, die von falsch abgestellten Rollern ausgehen. Diese können vor allem für ältere und sehbehinderte Menschen zu Stolperfallen werden. Nun plant das Bundesverkehrsministerium offenbar strengere Parkregeln für die Verleiher von Fahrrädern und Rollern.
Die über Plattformen wie Voi, Tier-Dott oder Lime ausleihbaren E-Scooter und Fahrräder sollen künftig nicht mehr ohne Weiteres auf Gehwegen und in Fußgängerzonen geparkt werden dürfen. Das geht aus einem neuen Referentenentwurf zur Änderung der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften hervor, der auf den 26. Juni datiert ist und Tagesspiegel Background vorliegt.
Mit dem Entwurf greift Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) ein Vorhaben seines Vorgängers Volker Wissing (parteilos) wieder auf. Wissing hatte bereits vor rund einem Jahr einen Entwurf zur Überarbeitung der rechtlichen Vorgaben für E-Scooter vorgelegt – und dafür heftige Kritik von der Fußgängerlobby geerntet.
Parkverbote für geteilte E-Scooter und Leihräder?
Laut Ministerium zielt die Verordnung im Kern darauf ab, insbesondere die verhaltensrechtlichen Regelungen für E-Scooter-Fahrerinnen und -Fahrer denen des Radverkehrs anzugleichen. „Dies dient der Regelvereinfachung“, heißt es im Entwurf. An einer entscheidenden Stelle hat Wissings Nachfolger Patrick Schnieder nun offenbar nachgeschärft.

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Demnach sollen Fahrräder und E-Scooter zwar grundsätzlich auf dem Bürgersteig und in Fußgängerzonen geparkt werden dürfen, sofern „dadurch andere nicht gefährdet oder behindert werden können“. Das gilt allerdings nicht für alle.
Werden Fahrräder und Elektrokleinstfahrzeuge (also E-Scooter) gewerblich und stationsunabhängig auf öffentlichen Straßen vermietet, sei dies kein zulässiges Parken im Sinne der Verordnung, heißt es in dem Dokument. Anders gesagt: Die Roller von Tier-Dott, Lime und Co. dürfen nicht mehr ohne Weiteres auf dem Bürgersteig oder in der Fußgängerzone abgestellt werden – nur E-Scooter und Fahrräder in Privatbesitz.
Zur Begründung heißt es aus dem Verkehrsministerium: Die gewerbliche Vermietung sei „nicht als Teil des ruhenden Verkehrs im Sinne des Straßenverkehrsrechts zu qualifizieren“. Mit der Verordnung stellt das Verkehrsministerium klar: Das Abstellen von Mietfahrrädern und E-Scootern ist eine genehmigungspflichtige und damit gebührenpflichtige straßenrechtliche Sondernutzung. Die Rechtssprechung war in dieser Frage zuvor nicht eindeutig.
„Wir schaffen nun Rechtsklarheit, wie unter anderem das Abstellen künftig geregelt werden kann“, sagt Verkehrsminister Schnieder dem Tagesspiegel. „Anbieter müssen nun mit den Kommunen ein lokales Konzept ausarbeiten. Die Städte können dann auch die Abstellregeln für die Anbieter vorgeben – je nach Situation vor Ort zum Beispiel in gekennzeichneten Flächen, Stationen oder eben überall.“
So will Schnieder einen seit Jahren schwelenden Konflikt befrieden. „Elektrokleinstfahrzeuge sind im Mobilitätsmix unserer Städte kaum mehr wegzudenken“, sagt der CDU-Politiker. Seit deren Markteinführung in 2019 hätten sich die Gegebenheiten jedoch verändert. „Immer mehr Mietroller und Mietfahrräder erhitzen seitdem allerorts die Gemüter“, so der Verkehrsminister.
Anbieter müssen nun mit den Kommunen ein lokales Konzept ausarbeiten.
Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU)
Die Fußgängerlobby begrüßte die Festsetzung als „kleinen Fortschritt“. Die Anbieter indes reagieren schockiert. Sie fürchten das Ende ihres Geschäftsmodells.
Die Verleihfirmen sind empört
Dieser Passus „bedeutet de facto ein Abstellverbot für Sharing-Fahrzeuge im öffentlichen Raum“, sagt ein Sprecher der Plattform Shared Mobility (PSM), die die Interessen der Mobilitätsplattformen Voi, Bolt, Uber und Lime vertritt, Tagesspiegel Background. „Das wäre das Aus für das Free-Floating-Modell“ – Anbieter könnten also laut dem Sprecher ihre Fahrzeuge nicht mehr abseits von festen Stationen überall in der Stadt anbieten.
Dieser Passus bedeutet de facto ein Abstellverbot für Sharing-Fahrzeuge im öffentlichen Raum.
Ein Sprecher der Plattform Shared Mobility (PSM)
Mit dieser neuen Regelung würde die Branche „regulatorisch vom Markt gefegt“. Nur durch flexible Abstellung im öffentlichen Raum könne die geteilte Mikromobilität dort verfügbar sein, wo sie gebraucht werde, sagt der PSM-Sprecher. Ein stationsbasiertes System sei „flächendeckend weder finanzierbar noch praktikabel“, warnt die Branche. Der Verband appelliert an die Politik: „Streichen Sie diesen Passus, bevor irreparabler Schaden entsteht.“
Fußgängerlobby: Attacke auf Deutschlands Fußgänger
Unter dem Druck ihrer Kritikerinnen und Kritiker auf ihr Geschäft hatten die Verleiher in den vergangenen Jahren reagiert – und zusätzliche Auflagen für ihre Nutzerinnen und Nutzer gemacht. So müssen diese in der Regel nach dem Ende einer Fahrt ein Foto von dem geparkten Fahrzeug machen und es in der App hochladen, um nachzuweisen, dass der Roller oder das Fahrrad korrekt abgestellt ist. Zudem haben viele Städte und Kommunen Parkzonen eingerichtet, in denen die Geräte abgestellt werden können.
Der Verband Fuss e.V. indes sieht in den Plänen aus dem Bundesverkehrsministerium wegen der Gleichstellung mit dem Radverkehr weiterhin eine Attacke auf Deutschlands Fußgänger.
„Schnieder erlaubt, dass E-Scooter-Rüpel Fußgänger als lebende Slalomstangen missbrauchen“, kritisiert der Verband. Dass E-Scooter künftig auch auf Fußgängerwegen fahren dürfen, die mit dem Schild „Radfahrer frei“ versehen sind, wie bereits in Wissings Entwurf stand – und ausdrücklich die Erlaubnis bekommen, Fußgänger eng zu überholen, sieht er als „hässliches Element“ der neuen Verordnung. (Mitarbeit: Caspar Schwietering)