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„Wir sind ein bisschen agiler“ : Kunstkirche St. Matthäus lädt zum 25. Jubiläum

2025-07-09
In leben Vom Elke Linda Buchholz

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Süß schmecken die blonden Früchte des Maulbeerbäumchens. Das junge Gewächs in der Baumschule vor der Kirche St. Matthäus am Kulturforum muss sich mit einem Plastikkübel begnügen, wird aber täglich gewässert gegen Hitzestress. Wer möchte leben ohne den Trost der Bäume: Günter Eichs Verse werden an einem Literaturabend in der grünen Oase zitiert.

Einst, so erzählt Pfarrer Hannes Langbein, wuchsen hier Hunderte von Maulbeerbäumen für die preußische Seidenraupenzucht. Dann wurde das zierliche Gotteshaus von Friedrich August Stüler errichtet, ein Vorbote des noblen Tiergartenviertels, wo sich die Kulturelite ansiedelte. Das ist lange vorbei. Einzig St. Matthäus hat, nach Bombenschäden des Zweiten Weltkriegs wiederaufgebaut, überdauert.

Grüne Oase in Kübeln

Seit 25 Jahren ist der Sakralbau ein Ort für Kunst. Ein Ort zum Innehalten. Und ein Ort des Experiments. Jetzt feiert die Stiftung ihr Jubiläum, mit Musik, Worten und Klängen, mit Freundinnen und Freunden, mit Gläubigen und solchen, die mehr dem Zweifel zuneigen.

Seit kurzem erinnert ein blitzblankes Straßenschild an zwei der überwiegend jüdischen Bewohner des Areals: Johanna und Eduard Arnhold waren frühe Impressionismus-Sammler und Mäzene. Beide Projekte, die Baumschule und die Wiederentdeckung des vergessenen Tiergartenviertels, gehen auch auf Kunstpfarrer Langbein zurück. Er hat zwar keine Gemeinde. Aber er tauft Kinder, sät Ideen und hat es seit Amtsantritt 2019 geschafft, dass die Kulturforums-Anrainer sich mehr vernetzen.

Als Klaus Biesenbach, Direktor der Neuen Nationalgalerie, ihn anrief und die utopische Baumschule vorschlug, war der Stiftungsleiter sofort dabei. Machen, nicht trödeln, scheint seine Devise.

Rauminstallation in der St. Matthäus-Kirche mit 365 frei schwingenden Metallröhren von William Engelen: Besucher können die Röhren anschlagen.

© Leo Seidel

Leider, mitten durch seine Kirche klafft ein Riss. Unübersehbar zeigt sich im Boden des Kirchenschiffs der Spalt. St. Matthäus werde nicht einstürzen, so Langbein. Im Zuge der ohnehin geplanten Generalsanierung wird man den Schaden beheben. Aber die angrenzende Großbaustelle des berlin modern hat dem betagten Baudenkmal zugesetzt. Der gewaltige Museumsneubau nebenan verändert nicht nur die Topografie. Gerät die Kunstkirche ins Abseits?

„Wie bitte?“ über dem Altar

Im Gegenteil, der Wandel ist Chance. Eine Höhendominante im nun wieder enger bebauten Areal wird St. Matthäus bleiben: Wegmarke der Vergangenheit auf dem Weg in die Zukunft. Vom luftigen Turmplateau überblickt Langbein die großen Tanker Gemäldegalerie, Kunstgewerbemuseum, Philharmonie und Neue Nationalgalerie. „Wir sind ein bisschen agiler“, meint er.

Zurück, wendeltreppab, in den Kirchenraum. Hier ist die Kunst stets kostenlos zugänglich. Tägliche Mittagsandachten ziehen Stammgäste oder Zufallsbekanntschaften an, manchmal nur eine Handvoll. Derzeit hat sich der Innenraum zum Jubiläum in ein Musikinstrument verwandelt. Rundum wie ein Vorhang hängen 366 riesige Metallröhren, orgelgleich, aber frei schwingend. Jede verkörpert einen Tag des Jahres. Die Sonntage schimmern messinggolden, Kirchenfeste kupferrot.

Wer den Filzklöppel in die Hand nimmt und die Rauminstallation von William Engelen zum Klingen erweckt, geht beglückt von dannen. Immer auf neue Weise erobern die Kunstprojekte diesen Raum. Jüngst erst hat die Künstlerin Sonya Schönberger abertausende Rostnägel aus Kriegsgefangenenbaracken vor den Altar gekippt. Via Lewandowski ließ Stimmen vielsprachig flüstern und fragte in Riesenlettern über dem Altar „Wie bitte?“. Viel Aufmerksamkeit erregte 2019 Norbert Bisky, der seine knallbunten Figurengemälde oben unter der Kirchendecke anbrachte, als sei diese gegenwartsverhaftete Malerei ein barockes Deckengemälde.

St. Matthäus-Kirche

Großes Jubiläumsprogramm am 9.7.2025: 18 Uhr Kunstgottesdienst mit Bischof Christian Stäblein, 19.30 Uhr Glückwünsche, Musik und Kulinarisches in der Baumschule Kulturforum, 21 Uhr Künstlerische Gratulationen mit Klang und Performance (hierfür wird um Anmeldung gebeten: info@stiftung-stmatthaeus.de).

Geöffnet ist täglich 11-18 Uhr, außer montags. Jeden Sonntag, 18 Uhr ist Gottesdienst, oft mit Musik, Kunst, Literatur.

Die Jubiläumsausstellung: „Godspeed in 4/4 Time“. William Engelen läuft noch bis 7.9.2025.

Keine der Arbeiten hat explizit christlichen Bezug. Eine Grenze sahen manche Besucher überschritten, als der Zeichner Ralf Ziervogel seine miniaturhaften Gewaltpornoszenen auf einer Papierbahn quer durchs Langhaus entrollte, ein Strom des Ekelhaften, Brutalen, Enthemmten, ausgerechnet in der Passionszeit! Aber ist nicht auch der Anblick des gemarterten Folteropfers Christus in Kirchen ist eine Grenzerfahrung, ein Schock, der sich allerdings abgenutzt hat?

In St. Matthäus gibt es kein Kreuz mehr. Der schöne, streng moderne Kruzifixus, der 1960 zur Wiedereröffnung entstand, hängt jetzt oben im Turmtreppenhaus, mit Blick auf die Großbaustelle. Dort himmelwärts haben auch Gisela Breitlings Triptychon-Gemälde ihren Platz. Eines zeigt Frauen der Bibel, feministisch neu gelesen. Diese Auftragsarbeit entstand noch unter Langbeins Vorgänger.

Dauerproblem: die Finanzierung

Gründungsdirektor Christhard-Georg Neubert setzte auf Malerei und klassische Ausstellungsformate. Über dem Altar wechselten moderne Gemälde. Den Anfang machte 2020 der Wiener Aktionist Arnulf Rainer mit seinen wüst performativen Kreuzarbeiten. Aktuell hängt in der Apsis nur eine einzige Kupferröhre. Einmal zum Klingen gebracht, pendelt sie wie ein Riesenmetronom. Unendlichkeit, spürbar für einen Moment.

Moderne Klänge haben in dieser Kirche einen guten Stand. Zu Weihnachten erklingen eigens in Auftrag gegebene Kompositionen. Jetzt in der Jubiläumswoche setzte sich eines Morgens um 7 Uhr ein Pianist an den Flügel und spielte 840mal Eric Saties Stück „Vexations“, wie vom Komponisten vorgeschlagen. Auch dies ein Nachdenken über Zeit.

Was hätte besser laufen können in 25 Jahren? Natürlich, Langbein muss nicht lange überlegen: die Finanzierung, und sie bleibt fragil. Jahr für Jahr muss eine sechsstellige Summe eingeworben werden. Denn nur mit den Zinsen des Stiftungskapitals ginge es nicht.

Tatsächlich bildete ein cleveres Immobiliengeschäft die Gründungsbasis. Als nach der Wende die Grundstückspreise für die Filetstücke am Potsdamer Platz stiegen, verkaufte die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) einiges aus ihrem Besitz. Damit fing alles an. Für seine Landeskirche ist der Kunstbeauftragte Langbein auch gefragt, wenn irgendwo eine der 1600 Kirche saniert wird und Kunst am Bau entstehen soll. Seine Arbeit sei oft ein Missionieren für die Kunst.

Sogar einen Streit mit der Denkmalpflege hat die Stiftung St. Matthäus schon durchgefochten. Und gewonnen! Der Schriftzug „(un)finished“ durfte als Riesentransparent am Turm hängen bleiben, zur gleichnamigen Ausstellung von Mischa Kuball.

Zuvor hatte der damalige Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger geäußert, das geplante Museum berlin modern sei die Vollendung, der Schlussstein des Kulturforums. Das wollte der kunstbeauftragte Pfarrer Langbein so nicht stehen lassen. Jetzt zum Jubiläum wird das Transparent wieder entrollt. Vollendet? Niemals. Es geht weiter.

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