Das Schreiben über Schauspieler ist eine große Kunst. Und schwierig. Weil es sich um lebendige Wesen dreht und nicht um eine bemalte Leinwand oder bedrucktes Papier. Vom Kritiker wird Fingerspitzengefühl, Fantasie, Einfühlung und auch Verantwortung verlangt, zumal bei jungen Schauspielerinnen und Schauspielern. Über Alexander Moissi hat Alfred Kerr einmal geurteilt: „Sein Oswald bleibt in Erinnerung. Ein sicheres Versprechen.“
Das war im Jahr 1906, in den Kammerspielen des Deutschen Theaters nach der „Gespenster“-Premiere in der Regie von Max Reinhardt. Moissi in dem Ibsen-Stück war damals ein noch aufstrebender Akteur, bald würde er der Star des Berliner Theaters sein. Kerr hatte recht. Er hatte es erkannt. Moissi war ein „sicheres Versprechen“, bei aller Kritik. Kerr konnte unglaublich witzig sein und auch sehr hart und differenziert, wie das Beispiel des späteren Weltstars Moissi zeigt. Kerr bewunderte ihn „für sein Musikhaftes“, lehnte aber „sein Äußerlichbleiben“ ab.
Ein Who is Who des Theaters
Seit 1991 wird beim Berliner Theatertreffen der Alfred-Kerr-Darstellerpreis verliehen. Die Auszeichnung ist mit 5000 Euro dotiert und würdigt die herausragende Leistung einer jungen Schauspielerin oder einer jungen Schauspielerin in einer der zum Theatertreffen eingeladenen Inszenierungen. Jurorin ist dieses Jahr Bettina Stucky. Das ist eine der schönen Geschichten, die dieser Preis schreibt. 2002 hat sie ihn selbst bekommen für ihre Rollen in den „Drei Schwestern“ aus Zürich und in einer Inszenierung von Christoph Marthaler, die Jurorin damals war Elisabeth Trissenaar.
Bei der Eröffnung des Theatertreffen war die Schweizerin Bettina Stucky jetzt in der Katie-Mitchell-Inszenierung von „Bernarda Albas Haus“ zu sehen. Sie spielte die wunderbar verrückte Großmutter, die freie Chaotin in dieser tödlich durchdisziplinierten Menagerie. Bettina Stucky ist Ensemblemitglied am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Man kennt sie aus zahlreichen Filmen und Fernsehrollen.
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Wie schauen Schauspieler auf ihre Kolleginnen und Kollegen, die oft noch am Anfang ihrer Karriere stehen? Das Theatertreffen ist kein Wettbewerb, es gibt im Grunde nur Gewinner, denn die Einladung nach Berlin hat Gewicht. Dabei spiegelt der Alfred-Kerr-Darstellerpreis die Entwicklung des deutschsprachigen Theaters. Erste Preisträgerin war Steffie Kühnert, es folgten Kathi Angerer, August Diehl, Johanna Wokalek und viele andere. Fabian Hinrichs und Valery Tscheplanowa wurden ausgezeichnet - und übernahmen später selbst die Aufgabe des Juroren.
Inbegriff des Kritikers
Der Preis wurde zur Erinnerung an den Berliner Theaterkritiker und Schriftsteller Alfred Kerr von seinen Kindern Judith Kerr und Michael Kerr gemeinsam mit der Pressestiftung Tagesspiegel und den Berliner Festspielen ins Leben gerufen. Geboren wurde Kerr 1867 in Breslau, er stammte aus einer jüdischen Unternehmerfamilie. Seine Kritiken und Essays erschienen im Berliner Tageblatt und in der Frankfurter Zeitung. Kerr prägte die große Zeit der Bühnen und der Presse in Berlin. Im Februar 1933 war er über Zürich und in die Schweiz vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten nach London geflohen. Er starb 1948 in Hamburg. Kerr prägte das Bild des Kritikers, ein Intellektueller und Boulevardier zugleich.
Die Verleihung
Die Auszeichnung wird an diesem Sonntag um 12 Uhr im Haus der Berliner Festspiele verliehen. Der Tagesspiegel ist Medienpartner. Der Preis ist mit 5000 Euro dotiert.
Die Auszeichnung wird an diesem Sonntag um 12 Uhr im Haus der Berliner Festspiele verliehen. Wen sich Bettina Stucky bei den Aufführungen des Theatertreffens ausgeguckt hat, beibt bis dahin ihr Geheimnis. So viel nur kann man wissen: Jemand aus „Bernardas Albas Haus“, aus ihrer eigenen Truppe, kann es natürlich nicht sein. Traditionell steht die Kerr-Preis-Feier am Ende des Theatertreffens, da wird von der Jurorin oder dem Juror Bilanz gezogen. Und ein wenig in die Zukunft geschaut.