Sebastian Rose muss nur einen kurzen Blick in die Kommentare seines eigenen Blogs werfen, um die Wucht des Themas zu bemerken. „Wenn die Familie von ihm und er selbst VfB-Fans sind und den Brustring im Herzen tragen, müssten Werte da sein (…). Da fühl’ ich mich als Fan schon wieder sehr verarscht“, schreibt ein User. Und weiter: „Das trifft mich ganz hart auf meiner emotionalen Seite.“
Wer sich auch nur am Rande mit Fußball beschäftigt, weiß, worum es geht: um Nick Woltemade vom VfB Stuttgart und seinen wohl bevorstehenden Wechsel zum FC Bayern München.
Unbestätigten Berichten zufolge soll sich der Spieler mit den Münchnern einig sein – mündlich, wohlgemerkt. Das Problem: Woltemade hat beim VfB Stuttgart einen Vertrag bis Ende Juni 2028. Eine Ausstiegsklausel gibt es nicht. Weshalb sich viele, die es mit dem VfB halten, verraten fühlen: von Woltemade, vom FC Bayern – und vom Fußballgeschäft an sich.
Sebastian Rose ist selbst VfB-Fan. Gemeinsam mit Andreas Zweigle betreibt er seit Jahren den lesenswerten Blog „Vertikalpass“. Kaum jemand ist näher dran am Verein als die beiden. Rose hat die Reaktionen auf den möglichen Abgang Woltemades intensiv verfolgt.
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„Das trifft den VfB-Fan hart“, sagt er. „Der Klub hatte vor der letzten Saison eine traumatische Transferphase. Waldemar Anton, Hiroki Ito und Serhou Guirassy verließen den Verein für verhältnismäßig wenig Geld. Viele dachten, dieses Jahr würde ruhiger.“
Doch beim VfB wird es nicht ruhig. Die Stuttgarter sind seit zwei Jahren Opfer ihres eigenen Erfolgs. Seit Sebastian Hoeneß Trainer ist, zeigt die Kurve steil nach oben. 2023/24 wurde der VfB Vizemeister, zuletzt gewann die Mannschaft den DFB-Pokal. Folge: Die Spieler sind begehrt – besonders Woltemade.
Der 23-Jährige kam vor der Saison ablösefrei von Werder Bremen. Als talentiert, aber zu harmlos vorm Tor galt er. Trost für viele: Vater und Großvater sind VfB-Fans, er selbst versicherte glaubhaft, mit viel Herzblut aufzulaufen.
Das Fußballbusiness gleicht heute Tech-Börsen. Die Summen schießen durch die Decke, das zeigt der Fall Woltemade deutlich.
Sebastian Rose, VfB-Blogger
Umso schöner verlief seine Entwicklung: Binnen kurzer Zeit wurde er zu einem der besten Stürmer der Bundesliga. Ein enormer Hype entstand – sein Marktwert explodierte (aktuell laut transfermarkt.de: 30 Millionen Euro).
„Das Fußballbusiness gleicht heute Tech-Börsen. Die Summen schießen durch die Decke, das zeigt der Fall Woltemade deutlich“, sagt Rose. „Viele Fans schreckt das ab.“
Dabei ist es nichts Neues, dass aufstrebende Spieler dorthin wechseln, wo es mehr Geld gibt. Schon vor knapp 30 Jahren zog es Giovane Elber vom VfB zu den Bayern. 2009 wechselte auch Mario Gomez von Stuttgart nach München.
Die Dynamik im Fall Woltemade aber ist eine andere. Eine gute Bundesligasaison, kein einziger Einsatz in der Champions League – dennoch könnten die Bayern über 60 Millionen Euro plus hohes Gehalt zahlen. Das Geschäft wird immer absurder.
„Bei Woltemade kommt hinzu: Viele Fans hatten durch seine VfB-Vergangenheit die romantische Vorstellung, dass er dem Klub wirklich verbunden ist und noch eine Saison bleibt“, sagt Rose. „Gerade in politisch aufgeladenen Zeiten wie diesen sehnen sich viele nach Ehrlichkeit und Loyalität.“
So etwas vom knallharten Fußballbusiness zu erwarten, wirkt naiv. Sollte es stimmen, sind dem Spieler, seinen Beratern und auch dem FC Bayern der laufende Vertrag offenbar egal. Woltemade will weg.
Ob es so kommt, hängt davon ab, ob sich die Klubs einigen. Die Bayern haben sich in die schlecht möglichste Verhandlungsposition gebracht: Nachdem Deutschlands zurzeit bester Kicker Florian Wirtz sich gegen den FC Bayern und für den FC Liverpool entschieden hat, ist der Druck groß, einen großen Transfer zu vermelden. Hinzu kommt, dass schon die vermeintliche Einigung zwischen Woltemade und Klub durchgesickert ist. Mit Woltemade soll es, muss es also klappen.
Zudem ist nach allem, was bereits vorgefallen ist, kaum vorstellbar, dass Woltemade nächste Saison beim VfB auflaufen wird. „Noch ist er bei den Fans nicht verbrannt, aber ich kann mir gut vorstellen, dass die Stimmung nicht die beste ist, falls er doch in Stuttgart bleibt“, sagt Rose.
Sollten sich die Verantwortlichen nicht dumm anstellen, dürfte der VfB mehr als 60 Millionen Euro kassieren. Das wäre nun bestimmt nichts fürs Herz der VfB-Fans – aber dem Business des Klubs wäre es zuträglich.