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Schwarz-Rot unter sich: Bundesregierung will schlechte Laune vertreiben

2025-10-01
In politik Vom admin

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Wie lässt sich die Stimmung in Deutschland drehen und eine Freude am Wandel erzeugen? Diese Frage hat Bundeskanzler Friedrich Merz und seine Ministerriege bei der ersten Kabinettsklausur seit Amtsantritt umgetrieben. „Im Prinzip ist unser Hauptgegner die Laune“, wurde Vizekanzler Lars Klingbeil von Teilnehmern zitiert. 

Ruck-Rede am Tag der Deutschen Einheit?

Man sei sich einig gewesen, dass ein Kulturwandel nötig sei, um eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen, hieß es. Auch über die Notwendigkeit einer „neuen Ruck-Rede“ wurde am Rande der Klausur gesprochen – unter Verweis auf einen Auftritt des Kanzlers in Saarbrücken an diesem Freitag, dem 35. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung. 

Verkehrsminister sackt am Kabinettstisch zusammen

Überschattet wurde die Klausur durch zwei Zwischenfälle: Verkehrsminister Patrick Schnieder erlitt einen Kreislaufzusammenbruch und wurde ins Krankenhaus gebracht. Der CDU-Politiker sei am Tisch zusammengesackt, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius. Danach sei es ihm zwar wieder bessergegangen, zur Sicherheit werde er sich aber untersuchen lassen. Ein Sprecher von Schnieders Ministerium teilte am Nachmittag mit, der Minister befinde sich derzeit in ärztlicher Behandlung und es gehe ihm wieder besser.

Beim Familienfoto am Mittag fehlte neben Schnieder auch Kulturstaatsminister Wolfram Weimer. Er verließ die Villa Borsig am Morgen wegen eines Trauerfalls. Per Pressemitteilung sagte er „aufgrund eines Todesfalls im engsten Familienkreis“ auch einen für Donnerstag geplanten Besuch in Thüringen ab.

Populistische Instrumentalisierung der negativen Stimmung

Am ersten Tag des Regierungstreffens stand das Thema Wettbewerbsfähigkeit auf dem Programm, zu dem als Gast Markus Brunnermeier vortrug, ein Volkswirtschafts-Professor von der renommierten US-Universität Princeton. Die anschließende Diskussion führte sehr schnell zu der Frage, warum die Stimmung so schlecht ist, obwohl die Bundesregierung in ihren ersten Monaten erste Veränderungen auf den Weg gebracht hat. 

Man sei sich dabei schnell einig gewesen, dass ein Kulturwandel nötig sei. Klingbeil habe moniert, dass eine „negativistische Haltung“ populistisch von politischen Gegnern wie der AfD instrumentalisiert werde. Und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) habe Visionen statt Verordnungen gefordert.

Auch Scholz beschwerte sich schon über schlechte Laune

Neu ist das alles nicht. Auch die Vorgänger-Regierung hatte sich als Opfer einer grundsätzlich negativen Stimmung im Land gesehen, von der die politischen Ränder profitierten. Ex-Kanzler Olaf Scholz (SPD) wurde nicht müde, die AfD als „Schlechte-Laune-Partei“ zu bezeichnen. 

Ähnlich hört sich das jetzt bei Kanzler und Vizekanzler an. „Hören wir doch mal auf, so larmoyant und so wehleidig zu sein in diesem Land“, sagte Merz schon vor ein paar Tagen in einer Rede bei der Mittelstandsunion. Klingbeil forderte kürzlich bei einem Besuch in seinem niedersächsischen Wahlkreis: „Wir reden uns selbst manchmal so klein. (...) Und die AfD reitet ja diese schlechte Laune. Die AfD lebt von dieser Polarisierung und davon, dass die Leute unzufrieden sind.“ In allen Umfragen haben Union und SPD aktuell keine Mehrheit mehr, und die AfD hat die Union teilweise schon als stärkste Partei abgelöst.

Erste Ruck-Rede vor 28 Jahren

Aber wie legt man den Hebel um? Vor 28 Jahren forderte der damalige Bundespräsident Roman Herzog in einer Rede, es müsse ein Ruck durch Deutschland gehen. „Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen, vor allen Dingen von den geistigen, von den Schubläden und Kästchen, in die wir gleich alles legen“, forderte er. 

Bis zu einer weitreichenden Reformagenda der rot-grünen Regierung vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) dauerte es danach noch sechs Jahre. Heute wird viel darüber geredet, ob die von Schwarz-Rot geforderten Reformen ähnlich weit gehen sollen wie Schröders Agenda 2010.

Regierung arbeitet an Teamgeist

Für die Koalition geht es bei dieser zweitägigen Klausur auch darum, erst einmal die Stimmung im eigenen Laden zu verbessern. Nach einem holprigen Start mit einer Kanzlerwahl erst im zweiten Anlauf, einer verpatzten Richterwahl und viel Streit in der Sache arbeitet die Koalition seit der Sommerpause an einem neuen Teamgeist. 

Eine Klausurtagung der Fraktionsvorstände von Union und SPD in Würzburg machte im August den Anfang. Es folgten eine gemeinsame Reise der Fraktionschefs nach Kiew, ein Grillabend der Koalitionsabgeordneten in Berlin und zuletzt ein Besuch der Parteivorsitzenden auf dem Oktoberfest in München. 

Nun also die Kabinettsklausur in der Villa am Tegeler See, bei der es möglichst entspannt zugehen soll. Der Kanzler signalisierte das bei seiner Ankunft mit einem für ihn sehr ungewöhnlichen Outfit: Hellgrauer Anzug, keine Krawatte. Das dürfte selbst Vizekanzler Lars Klingbeil irritiert haben, der erst mit Eintritt in die Bundesregierung zum Krawattenträger geworden ist – und bei der Klausur dabei blieb. Beim Familienfoto am Mittag hatte dann auch der Kanzler wieder eine Krawatte an. 

Industriellen-Villa statt Barock-Schloss

Auch die Wahl des Tagungsorts ist ein Statement. Die Ampel-Regierung hatte sich für ihre Kabinettsklausuren ins Schloss Meseberg 70 Kilometer nördlich von Berlin zurückgezogen. In dem Gästehaus der Bundesregierung haben sich Scholz, Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP) mehrfach geschworen, nicht mehr so viel zu streiten – und dann hat es doch wieder nicht geklappt. 

Vielleicht hat dieser ungute „Geist von Meseberg“ dafür gesorgt, dass das schwarz-rote Kabinett lieber in Berlin bleibt. Eine ehemalige Industriellen-Villa passt außerdem besser zu der „schnörkellosen Arbeitskoalition“, die Merz einmal ausgerufen hat, als ein Barock-Schloss auf dem Land. 

Beschlüsse erst an Tag zwei

Beschlüsse soll es erst am zweiten Tag der Klausur geben. Dann wird das Kabinett eine Modernisierungsagenda für Staat und Verwaltung auf den Weg bringen, die zu einer Senkung der Bürokratiekosten um 25 Prozent oder 16 Milliarden Euro führen soll.

© dpa-infocom, dpa:250930-930-102547/4

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