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Landesverteidigung: Kriegstüchtigkeit im Kopf: „Es gibt keinen zweiten Sieger“

2025-08-25
In politik Vom admin

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Mehr als 40 Monate Krieg in der Ukraine und die Bedrohung durch Russland haben die Einsatzszenarien der Bundeswehr grundlegend verändert. „Wirkung geht vor Deckung, denn es gibt keinen zweiten Sieger“, sagt der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais. Sollte je eine militärische Verteidigung Deutschlands und seiner Nato-Partner nötig werden, sei es keine Option, in einem sicheren Feldlager zu warten. In Auslandseinsätzen war das noch möglich, und lange wurde die Bundeswehr auf sie ausgerichtet - doch inzwischen stehen wieder die Herausforderungen der Landes- und Bündnisverteidigung im Zentrum der Aufgaben.

Der Kriegsverlauf in der Ukraine beschäftigt viele lang gediente Soldaten und Reservisten. In Litauen wird eine gefechtsbereite deutsche Brigade stationiert. Debattiert wird, ob und wie Deutschland sich an Sicherheitsgarantien für die Ukraine beteiligen könnte.

Die jungen Leute sind viel ernsthafter geworden

Auch die Nachwuchswerbung, die lange wie das Angebot eines ganz normalen Arbeitgebers angelegt war, ist wieder militärischer. „Ich glaube, dass unsere Soldatinnen und Soldaten alle wissen, was da auf sie zukommen kann. Und das merken wir auch. In den Gesprächen mit den jungen Leuten erlebe ich, dass sie viel ernsthafter geworden sind“, sagt Mais, der im September seinen letzten Monat an der Spitze der Landstreitkräfte haben wird, der Deutschen Presse-Agentur. „Jemand, der sich heute zur Bundeswehr meldet, weiß, dass Krieg in Europa ist.“

Die Spannungen sind in den vergangenen Monaten gestiegen. Sabotage und Ausspähungen in Deutschland, auch die Vorbereitung für den Fall militärischer Zwischenfälle verändern die Truppe. Aus den blutigen Verteidigungskämpfen der Ukrainer werden Lehren gezogen.

Dazu kommt: Eine militärische Auseinandersetzung kann zur Unzeit beginnen. „Uns muss bewusst sein, dass, wenn die Klingel geht, es uns in einem nicht optimalen Zustand oder zu einem nicht optimalen Zeitpunkt treffen kann. Damit müssen sich die Kommandeure gedanklich auseinandersetzen“, sagt Mais. 

Um im Fall eines Angriffs gegen den russischen Militärapparat zu bestehen - aber auch schon zur glaubwürdigen Abschreckung - brauche es über die Bewaffnung hinaus Entschlossenheit. Man kann es „Mindset“ oder Geisteshaltung nennen, einen Willen zur Verteidigung auch in Situationen, die dem einzelnen Menschen viel - mitunter unmenschlich viel - abverlangen können. Eine zutiefst zivile Gesellschaft tut sich schwer damit.

Kampf mit einem Gegner: Kein Beruf wie andere 

Oberstabsfeldwebel Jan Hecht hat diese Situation im Sommer 2009 auf einer Patrouille in Afghanistan erlebt. „Der Kampf dauerte fünf Stunden, fünf hochintensive Stunden“, sagte der Unteroffizier, der mit dem Ehrenkreuz für Tapferkeit ausgezeichnet ist.

Er und sein 36 Mann zählender Zug sollten in der Provinz Kundus eine selten genutzte Verbindungsstraße auf Sprengfallen untersuchen, als nördlich von ihnen ein deutscher Spähtrupp angesprengt und in Schusswechsel verwickelt wird. Hecht lässt aufsitzen und will den Spähtrupp freikämpfen. Bei Annäherung sofort massives Feindfeuer: Etwa 80 Angreifer - so sei später festgestellt worden - haben einen Hinterhalt gelegt. 

„Zeit und Raum lassen sich im Nachhinein schwer beschreiben. Das ist eine Situation, wo Zeit nicht mehr fühlbar ist“, erzählt er. „Das geht mal ganz schnell vorbei. Und dann gibt es wieder Phasen, die dauern extrem lange und man hat das Gefühl, es sind Stunden. In Wirklichkeit sind ein paar Minuten vergangen.“ Die Soldaten kämpfen sich frei und werden etwas weiter noch in einen zweiten Kampf verwickelt.

Keine Gefühle wie Aggression oder Wut

„Beim ersten Auftreffen auf den Feind, Feuer überall, ist ganz viel Instinkt. Was kommt jetzt als Nächstes? Alles Instinkt, Erfahrung, Abarbeiten von dem, was man schon mal erlebt hat“, sagt Hecht. „Das Ziel von Drillausbildung ist ja, in chaotischen Situationen zu funktionieren, ohne über das Handeln nachdenken zu müssen. Und eine Gefechtssituation ist so intensiv, dass ein rationales Denken über das, was mache ich als Nächstes, de facto nicht möglich ist.“

Gefühle wie Aggression oder Wut habe er nicht spüren können. Es seien Stunden unter Adrenalin, unter Hochdruck gewesen und er relativ emotionslos gewesen. „Es gibt so eine gewisse Entschlossenheit, die man an den Tag legen muss, um in so einer Situation zu bestehen. Wenn man diese Entschlossenheit nicht hat, dann kommt man vielleicht in ein Zaudern, das nachteilig sein kann“, sagt der Soldat.

„Tapferkeit ist ein reflektierter Prozess“

Bisher sind 33 Soldaten mit dem Ehrenkreuz ausgezeichnet worden. Sie sind für die Truppe Vorbild für Tatkraft und Führung - und Tapferkeit über das Normalmaß hinaus. 

Jeder Soldat schwört mit dem Eid, dass er tapfer ist. „Tapferkeit ist ein reflektierter Prozess. Sich damit auseinandersetzen, dass mir was passieren kann, dass ich möglicherweise jemandem Leid zufüge“, sagt Mais. 

„Wenn zu Tapferkeit dann in der konkreten Situation Mut hinzukommt, dann haben wir Menschen, die zu außergewöhnlichen Leistungen fähig sind. Menschen, die sich in besonderen Situationen selbst hintanstellen, um den Kameraden zu schützen, ihn aus der Gefahr zu bergen, oder den Auftrag auch bei größten Widerständen zu erfüllen.“

© dpa-infocom, dpa:250824-930-948242/1

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