Die Trauer im Land ist groß – so groß, wie der Politiker war. Wolfgang Böhmer ist tot.
Ja, der Name ist ein wenig in Vergessenheit geraten, aber er lohnt, erinnert zu werden. Denn Böhmer, Sachsen-Anhalts langjähriger Ministerpräsident, ist ein Vorbild. Quer durch die Parteien.
89 Jahre ist er geworden. Zu seinem 80. sagte Böhmer, gewohnt unumwunden, jetzt merke er schon, wie alt er sei. Aber: „Ich versuche möglichst, mich nicht nur damit abzufinden, sondern nicht darüber laut zu jammern.“

Stephan-Andreas Casdorff ist Editor-at-Large des Tagesspiegels. Er schätzte Böhmer als einen Mann und Politiker, der sich treu geblieben bist.
Genau: nicht jammern! Er konnte das auch bei seinen Landsleuten nicht leiden.
Sie ihn aber, sehr sogar. Darum verziehen sie ihm, wenn er ihnen mal wieder öffentlich den Marsch blies. „Undiszipliniertes Wunschdenken“, „überzogenes Selbstmitleid“, so etwas war ihm ein Gräuel.
Wir stehen früher auf.
Landesslogan von Sachsen-Anhalt unter Wolfgang Böhmer
Das war es, was ihn als Politiker groß gemacht hat: Er redete niemandem nach dem Mund, entschied nach Diagnose.
Angela Merkel, Kanzlerin und CDU-Chefin während vieler seiner Regierungsjahre, hatte es nicht leicht mit ihm – aber auch sie fand ihn in seiner Art großartig. Seine Art: Es war Verlass auf ihn. Auf sein Wort immer, auf seinen Widerspruch häufig.
„Wir stehen früher auf“ wurde der Landesspruch unter Böhmer. Muss so sein: Arbeitslosigkeit halbiert, Haushalt konsolidiert, Bildungswesen aufpoliert. Und Firmen kamen. „Er war ein großer Sachsen-Anhalter“, sagt sein Nachfolger Rainer Haseloff.
Auch Haseloff ist ein eigener Typ, von Böhmer ausgesucht, beide aus Wittenberg; Böhmer zwar nicht gebürtig, er war Bauernsohn aus Sachsen, aber im Herzen.
In dem blieb er Chefarzt der Gynäkologie am Wittenberger Paul-Gerhardt-Stift. 30.000 Kinder sollen bei ihm zur Welt gekommen sein – der Begriff Landesvater passt hier aber mal wirklich. Wie der Wahlslogan „Wir werden das Kind schon schaukeln“. Genau.
Frag nach bei Monika Zimmermann, früher Tagesspiegel-Chefredakteurin, später Regierungssprecherin. Sitzungen? Nicht unnötig lang. Empfänge? Wenn absolut nötig. Diskussionen? Bis das Nötige gesagt ist.
Für Jahre wurde Sachsen-Anhalt Böhmers Baby. Nach der Wende ging er in die CDU, war Finanz- und Arbeitsminister, Partei- und Fraktionschef, 2002 bis 2011 Ministerpräsident. Einer, der sich selbst treu blieb.
Darum in aller Kürze: Wolfgang Böhmer ist die Operation Politik unvergleichlich gelungen.