Es gibt Menschen, die schauen aus so traurigen Augen, dass man sie am liebsten sofort in den Arm nehmen möchte. Ein Beispiel: Eike Immel.
Der frühere Fußball-Nationaltorhüter blickt einen seit Jahren bedröppelt aus der Zeitung an – meist begleitet von Schlagzeilen, die noch mehr Mitleid erzeugen.
Ein schneller Überblick über die wichtigsten Artikel, jeden Sonntag per Mail direkt aus der Tagesspiegel Chefredaktion.
Die neueste Meldung zu Immel lässt einen zwiegespalten zurück. Zum einen geht es um mutmaßlich kriminelle Machenschaften. Zum anderen wirkt die – noch nicht rechtskräftige – Strafe ziemlich hart.
Worum es geht? Der 64-Jährige soll sich über Jahre hinweg von Freunden und Bekannten Geld geliehen haben – mit dem Versprechen, es bald zurückzuzahlen. Passiert ist das selten. Insgesamt geht es um eine Schadenssumme von über 34.000 Euro.
Das Amtsgericht Marburg verurteilte ihn deshalb wegen Betrugs in 107 Fällen zu zwei Jahren und zwei Monaten Haft. Wie die „Welt“ berichtet, will Immel das am Donnerstagnachmittag verkündete Urteil nicht hinnehmen. „Wir werden Berufung einlegen“, erklärte sein Anwalt.
Wann nahm eigentlich die Karriere des einst begabtesten deutschen Torhüters die falsche Abzweigung?
War es 1988, als er einen Schuss des überragenden Holländers Marco van Basten um Millimeter verfehlte? Deutschland schied bei der Heim-EM aus – und im nächsten Spiel stand plötzlich Bodo Illgner im Tor. Immels Schwiegervater zufolge sei das „eine Blamage“ für die ganze Familie gewesen. Immel trat zurück. „Ein Riesenfehler“, sagte er später.
Für Sportfremde war spätestens sein Einzug ins Dschungelcamp 2008 ein klares Zeichen, dass es bergab ging. Immel erklärte damals, er habe die Strapazen nur auf sich genommen, um mit der Gage eine Hüft-OP bezahlen zu können.
Schon wieder musste man Mitleid haben mit dem armen Kerl. Auf jede falsche Abbiegung folgte bei Immel – eine weitere. Die Ursachen für seine Irrfahrten dürften vielfältig sein. Eine davon: Immel liebte das Zocken.
Eike Immel pokerte wie ein Süchtiger. Oft sah man, wie er sich enttäuscht und völlig gerupft auf sein Bett warf.
Torwartkollege Toni Schumacher im Buch „Anpfiff“ über Eike Immel
Früher erzählte man mit einem Schmunzeln von den angeblich legendären Pokerrunden des jungen Torwarts. Toni Schumacher schrieb in seinem Enthüllungsbuch „Anpfiff“, Immel habe bei der Nationalelf „wie ein Süchtiger“ gepokert. „Nicht selten wurde um 20.000 bis 30.000 D-Mark gespielt.“
Immel wies das stets zurück: „Das Image werde ich wohl nie los. Ich habe gar kein Zocker-Gen. Ich war nie im Casino. Und nach meinem Karriereende habe ich nie mehr gespielt“, sagte er in einem Interview mit dem Fußballmagazin „11 Freunde“.
Folgt man Immels Erzählungen, hatte er stets Pech. Schon sein Vater, ein Landwirt, sei zu gutmütig gewesen und schlecht mit Geld umgegangen. So wie er selbst. Er sei auf falsche Freunde hereingefallen, habe mit Immobilien spekuliert, viel Geld verloren – ebenso durch seine Ex-Frau.
Immel, der Pechvogel mit den traurigen Augen. Doch stimmt dieses Bild?
Nicht unbedingt. Immel zahlte seiner Ex-Frau Stefanie monatelang keinen Unterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder. Dabei hatte er als Profi gut verdient – und war auch später noch jahrelang Torwarttrainer im Profifußball.
Doch das Geld? Wohl alles weg. Und dennoch lebte Immel, offenbar auch dank seiner Gläubiger, weiterhin gut. In der Sat.1-Doku „Über Geld spricht man nicht“ erzählte er stolz, dass er trotz Bürgergeld gerne essen gehe – und eine Putzkraft beschäftige. „Ich habe in meinem ganzen Leben nie den Fußboden gewischt.“
Wer so etwas liest, verspürt kaum noch Mitleid. Wenn er bloß nicht so traurig schauen würde.