Vor fast auf den Tag genau zwei Jahren, am 20. Mai 2023, ist Maximilian Mittelstädt von den Fernsehkameras in ziemlich misslicher Lage eingefangen worden. Der Linksverteidiger von Hertha BSC hatte sich im Olympiastadion auf die Ersatzbank geflüchtet. Er hielt die Hände hinter dem Nacken verschränkt, hing schlapp in den Seilen und blickte ein bisschen orientierungslos ins Leere.
Mit Hertha BSC, seinem Verein seit Jugendtagen, war Mittelstädt gerade k.o. gegangen.
Im Heimspiel gegen den VfL Bochum hatten die Berliner in der Nachspielzeit den Ausgleich zum 1:1 kassiert. Einen Treffer, der ihren schon länger absehbaren Abstieg aus der Fußball-Bundesliga endgültig besiegelte. Maximilian Mittelstädt würde also fortan ein Zweitligaspieler sein.
Fast auf den Tag genau zwei Jahre später, am 24. Mai 2025, wird Mittelstädt an den Ort des Schreckens zurückkehren und zum ersten Mal seit dem Abstieg mit Hertha wieder ein Fußballspiel auf dem Rasen des Olympiastadions bestreiten. Nicht irgendein Spiel. Sondern das Finale um den deutschen Vereinspokal, in dem er mit dem VfB Stuttgart auf den bisherigen Drittligisten Arminia Bielefeld trifft (20 Uhr, ZDF/Sky).
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© imago/Contrast/O.Behrendt
Hertha BSC ist immer noch Zweitligist, bei Maximilian Mittelstädt, 28 Jahre alt inzwischen, folgt hingegen ein Höhepunkt dem nächsten. Seit seinem Abschied aus Berlin ist er mit den Stuttgartern Vizemeister geworden, er ist in die deutsche Nationalmannschaft berufen worden, hat im vergangenen Sommer an der Europameisterschaft im eigenen Land teilgenommen, mit seinem Klub in der Champions League gespielt – und steht nun mit dem VfB im DFB-Pokalfinale. In seiner Heimatstadt.
Aus heutiger Perspektive hat Mittelstädt alles richtig gemacht. Im Frühjahr 2023 aber war er hin- und hergerissen: Sollte er in Berlin und bei dem Verein bleiben, für den er insgesamt zehn Jahre gespielt hatte, bei dem er Profi geworden war, für den er insgesamt 145-mal in der Bundesliga aufgelaufen war und bei dem er seinen Vertrag gerade erst bis 2027 verlängert hatte?
Oder sollte er doch lieber etwas Neues wagen? Bei einem anderen Klub, in einer anderen Stadt?
„An dem Tag, an dem wir abgestiegen sind, habe ich noch gedacht, dass ich auf jeden Fall mit in die Zweite Liga gehe“, hat er einmal erzählt. „Ich wäre auch gern bei Hertha geblieben.“
Ich habe in anderthalb Jahren so gut wie alles erlebt, wofür ich mal Fußballer werden wollte. Das Highlight wäre natürlich, den Pokal in die Höhe zu recken.
Maximilian Mittelstädt
Es kam anders, und mit dem Wissen von heute lässt sich feststellen: Besser hätte es für Mittelstädt nicht laufen können. „Ich habe in anderthalb Jahren so gut wie alles erlebt, wofür ich mal Fußballer werden wollte“, sagt er. „Das Highlight wäre natürlich, den Pokal in die Höhe zu recken.“
Wie sehr ihn dieses Ziel umtreibt, das war Anfang April zu sehen, als sich die Stuttgarter durch einen 3:1-Erfolg im Halbfinale gegen Rasenballsport Leipzig für das Endspiel in Berlin qualifizierten. Nach dem Schlusspfiff wurde Mittelstädt von Tränen übermannt. „Da sind einfach viele Emotionen bei mir hochgekommen“, sagt er. „Es war immer ein Traum von mir, im Olympiastadion mal das Pokalfinale zu spielen.“
Es ist ein Traum, dem auch Mittelstädts Ex-Verein Hertha BSC seit einer mittleren Ewigkeit vergeblich hinterherjagt: einmal nur das Pokalfinale im eigenen Stadion spielen dürfen. Seit exakt 40 Jahren ist das Olympiastadion Austragungsort für das Endspiel im DFB-Pokal. In all den Jahren aber ist es nur den Amateuren des Klubs einmal gelungen, das Finale zu erreichen. 1993 war das.
Seit 1985 findet das Finale in Berlin statt
Maximilian Mittelstädt kennt die tiefe Sehnsucht von Hertha BSC. Eine Sehnsucht, die in seiner Zeit als Profi bei Hertha vor allem von Trainer Pal Dardai jedes Jahr aufs Neue befeuert wurde. Der Ungar wohnt in der Nähe des Olympiastadions, und er hat anfangs oft von der besonderen Atmosphäre geschwärmt, die am Pokalwochenende in der ganzen Stadt herrscht – die er aber auch irgendwann nur noch schwer ertragen konnte, weil immer nur die anderen waren, die feiern durften.
„Es lag vor allem an Pal, dass dieses Pokalfinale immer unser großer Traum war“, sagt Mittelstädt. „Das ist ein bisschen bei mir hängen geblieben. Deswegen war es auch so emotional, als es Realität wurde. Es ist ein Riesending für mich.“
Ein einziges Mal ist Hertha dem großen Ziel in den vergangenen 40 Jahre ganz nahe gekommen. 2016 erreichte die Mannschaft unter Dardai das Halbfinale und durfte gegen Borussia Dortmund sogar im eigenen Stadion antreten. Der ganze Klub fieberte dem großen Ereignis entgegen, Hertha trat zur Feier des Tages sogar in Sondertrikots an. Aber zu feiern gab es dann nicht viel.
Die Berliner waren von der ersten Minute an chancenlos, am Ende verloren sie 0:3. „Da war nicht viel zu holen“, erinnert sich Mittelstädt, der einen Monat zuvor in der Bundesliga debütiert hatte, gegen den BVB aber nur auf der Tribüne saß.
Das soll an diesem Samstag anders werden. „Es wird ein spezieller Moment für mich werden“, sagt Maximilian Mittelstädt. „Ich werde 110 Prozent geben. Ich werde die Mannschaft mitreißen und alles dafür tun, damit wir gewinnen.“