Der Angreifer der tödlichen Messerattacke in einer Berliner U-Bahn am vergangenen Wochenende – Shadi S. – hätte bereits in Haft sitzen müssen. Das teilte die Staatsanwaltschaft Chemnitz auf Nachfrage mit. Der Täter sei während seiner Bewährungszeit erneut straffällig geworden: 2022 hatte er unter anderem seine Schwester mit einem Messer attackiert und einen Beamten verletzt, später hatte er Justizbeamte bedroht. Auch erfüllte S., nachdem ihm eine Geldstrafe auferlegt wurde, eine sogenannte „Arbeitsauflage“ nicht und galt als flüchtig.
Die Auflage enthielt 100 Stunden gemeinnützige Arbeit, teilte eine Sprecherin des Berliner Amtsgerichts mit. Verurteilt wurde S. dazu in Chemnitz, in Berlin sollte er während der Bewährung überwacht werden. Die Staatsanwaltschaft Chemnitz habe im Dezember beantragt, die Bewährungszeit des 43-Jährigen um sechs Monate zu verlängern. Doch das Schreiben konnte nicht zugestellt werden. Der Mann war untergetaucht. Zuerst hatte die „Welt“ über die Akte des Syrers berichtet.
Shadi S. attackierte bereits Schwester mit Küchenmesser
Wie die Staatsanwaltschaft Chemnitz dem Tagesspiegel mitteilte, rammte S. bereits im Februar 2022 seiner Schwester ein Küchenmesser in den Oberschenkel. Sie hatte die Herausgabe ihres Mobiltelefons verweigert, als er die Kontakte in ihrem Handy sehen wollte. Bei seiner Festnahme setzte sich S. zur Wehr. Dabei verletzte er einen Polizisten an der Hand. Wenig später wurde er in Untersuchungshaft gebracht.
Wegen des Messerangriffs auf seine Schwester saß S. bis zum 1. September 2022 in Untersuchungshaft. Das Amtsgericht Chemnitz setzte den Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Chemnitz.
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Wegen des Messerangriffs gegen seine Schwester und einer weiteren Körperverletzung begann im Dezember 2022 vor dem Amtsgericht Chemnitz die Hauptverhandlung. Dort soll S. während der Verhandlung mehreren Anwesenden gegenüber mit massiver Gewalt gedroht haben, weshalb sein Haftbefehl wieder in Kraft gesetzt wurde. Wegen Wiederholungsgefahr saß er daraufhin vom 31. Januar bis zum 13. März in Untersuchungshaft.
Am 13. März 2023 wurde er dann laut der Sprecherin zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig. Anschließend – im Oktober 2023 – bedrohte S. zwei Justizvollzugsbeamte im Rahmen eines Gefangenentransports, teilte das Berliner Landgericht mit. Dafür wurde er zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Wegen der zusätzlichen Verurteilung in Berlin beantragte die Chemnitzer Staatsanwaltschaft am 19. Dezember 2024, die Bewährungszeit um sechs weitere Monate zu verlängern.
Da der Mann aber untergetaucht war, nahm die Staatsanwaltschaft Chemnitz ihren Verlängerungsantrag zurück. Stattdessen beantragte sie den Widerruf der Strafaussetzung und den Erlass eines Sicherungshaftbefehls, der am 18. März 2025 beim Landgericht Berlin einging. Laut der Staatsanwaltschaft Chemnitz hätte Shadi S. eine zweijährige Haftstrafe antreten müssen.
Wie die Berliner Strafgerichte dem Tagesspiegel mitteilen, war über den Antrag noch nicht entschieden worden, weil S. weiterhin untergetaucht war. Somit konnte laut einer Pressesprecherin die Sicherungshaft des inzwischen Verstorbenen nach einer ursprünglich verhängten Geldstrafe nicht durchgesetzt werden.
Um Angeklagte aufzufinden, wird der örtliche Polizeiabschnitt in der Regel angewiesen, die Meldeadresse der betroffenen Person zu überprüfen. Welche Maßnahmen konkret ergriffen wurden, ist bislang unklar. Jedenfalls war S. nicht auffindbar. Knapp einen Monat später, am vergangenen Sonnabend, kam es dann zur Messerattacke am U-Bahnhof Sophie-Charlotte-Platz.
Angreifer stach noch in der U-Bahn mehrmals zu
Bei seinem mutmaßlichen Fluchtversuch vor der Polizei wurde der syrische Staatsangehörige am Wochenende von vier Polizeischüssen getroffen und erlag wenig später seinen Verletzungen.
S. stach nach bisherigem Ermittlungsstand einen 29-jährigen Fitnesstrainer und Familienvater in einer U-Bahn mit einem Küchenmesser nieder und verletzte ihn tödlich. Die Männer sollen am Samstagnachmittag in einer U-Bahn der Linie 12 im Berliner Westen „binnen Sekunden“ aneinandergeraten sein, wie es von Polizei und Staatsanwaltschaft hieß.
Noch im Zug habe der 43-Jährige ein Küchenmesser aus seinem Hosenbund gezogen und dem 29-Jährigen drei tödliche Stiche versetzt, von denen einer das Herz traf, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit. Das ergab eine Sofortobduktion, die noch am Samstagabend durchgeführt wurde.
Die Gründe hierfür sind bislang unklar. Die Ermittler gehen nicht davon aus, dass sich die Männer vorher gekannt haben. Laut Behörden liegen bislang keine Hinweise auf eine islamistisch-terroristische Motivlage vor. Der Syrer besaß laut Staatsanwaltschaft einen Aufenthaltstitel mit Aufenthaltserlaubnis bis zum 12. Oktober 2025. Laut Innenverwaltung erkannte ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2016 den Flüchtlingsstatus zu und gewährte ihm Aufenthalt aus humanitären Gründen.