Niklas Kolbe machte sich in Münster ordentlich die Taschen voll. Und zwar buchstäblich. Bevor der Verteidiger von Hertha BSC nach dem DFB-Pokalspiel am Montag das Preußenstadion verließ, schaute er noch kurz im Presseraum vorbei, nahm je drei 0,33-Liter-Fläschchen Cola und Fanta aus dem Kühlschrank und ließ sie sich, da er in der Hand ein Sandwich hielt, in die Taschen seines Trainingsanzugs stopfen.
Auch im übertragenen Sinne hatte Kolbe in Münster fett abgesahnt. Bei Herthas überaus glücklichem Erstrundensieg war er zehn Minuten nach der Pause für Marton Dardai eingewechselt worden. Nach den Eindrücken, die beide Innenverteidiger an diesem Abend hinterlassen hatten, spricht einiges dafür, dass Kolbe am Sonntag, im Auswärtsspiel bei Darmstadt 98 (13.30 Uhr, live bei Sky), in Herthas Startelf stehen wird.
So könnte Hertha in Darmstadt spielen
Ernst - Gechter, Leistner, Kolbe - Eitschberger, Cuisance, Jensen, Zeefuik - Krattenmacher, Kownacki, Reese.
Es wäre eine Premiere für den 28-Jährigen und eine Bestätigung dessen, was er selbst unmittelbar nach seiner Verpflichtung durch den Berliner Fußball-Zweitligisten gesagt hatte: „Ich bin nicht einfach hier, um nur auf der Bank zu sitzen.“ Bisher musste er das bei Hertha in jedem der drei Saisonspiele: auf der Bank sitzen. Aber in allen drei Begegnungen ist er später auch eingewechselt worden.
Für Trainer Stefan Leitl ist das nichts Ungewöhnliches. Es sei ganz normal, dass ein Spieler, der nach nur einem Jahr Zweite Liga zu einem ambitionierten Verein wie Hertha wechsle, erst einmal Zeit brauche, um sich zu akklimatisieren. „Das hat Niklas in den letzten Wochen getan“, sagt Leitl. „Speziell nach seinen Einwechslungen hat er gute Leistungen gezeigt.“ Deshalb sei Kolbe in Darmstadt „definitiv eine Option“ für die Startelf.
Von einer solchen Entwicklung hätte Niklas Kolbe noch vor kurzem vermutlich nicht einmal zu träumen gewagt. Die Option Profifußball hatte er eigentlich schon aufgegeben und stattdessen ein Studium (Einkauf und Logistik) angefangen und abgeschlossen. Bis vor gut einem Jahr hat der 1,96 Meter große Innenverteidiger noch für die Stuttgarter Kickers in der Regionalliga Südwest gespielt. Und als ihn im Sommer 2024 das Angebot des Zweitligaaufsteigers SSV Ulm ereilte, dachte er: „Schauen wir mal, ob es vom Niveau reicht.“
Er macht seinen Job richtig gut, ist aggressiv am Mann, ist extrem schnell, kann die Leute ablaufen.
Herthas Abwehrchef Toni Leistner über Niklas Kolbe
Es reichte. 25 Mal ist Kolbe für die Ulmer zum Einsatz gekommen, 23 Mal stand er in der Startelf, und dass der Aufsteiger gleich wieder abstieg, lag definitiv nicht an seiner Defensive: Die Ulmer stellten in der vergangenen Saison die siebtbeste Abwehr der Zweiten Liga.
Für eine Ablöse von 100.000 Euro haben die Berliner Kolbe im Frühjahr verpflichtet. Ein überschaubares Risiko, selbst für einen Verein wie Hertha, um den es finanziell nicht zum Besten steht. „Am Anfang ist es für ihn vielleicht eine kleine Umstellung gewesen, aber er kommt immer besser rein“, sagt Toni Leistner über seinen Kollegen aus der Dreierkette. „Ich kann nur Positives von ihm berichten.“
Dass die Rufe nach einer Beförderung Kolbes in die Startelf immer deutlicher vernehmbar sind, liegt zum einen daran, dass sein interner Konkurrent Marton Dardai bei seinen bisherigen Einsätzen erkennbar geschwächelt hat. Und zum anderen an der unbefriedigenden Gesamtperformance der Berliner.
Grönning wird wohl wieder Joker sein
Nach nur einem Punkt aus den ersten beiden Ligaspielen und einer vor allem fußballerisch dürftigen Leistung im Pokal, die allein durch den Erfolg im Elfmeterschießen kaschiert wurde, regt sich unter den Fans immer deutlicher der Wunsch nach Veränderungen. Kolbe für Dardai links in der Innenverteidigung, Leon Jensen als zweikampfstarker Sechser im defensiven Mittelfeld und Sebastian Grönning für Dawid Kownacki im Sturm: Das scheinen die bevorzugten Varianten der Anhängerschaft zu sein.
Trainer Leitl wird vermutlich nicht sämtlichen Wünschen nachkommen. Sebastian Grönning hat zwar das einzige Tor dieser Saison erzielt und mit dem entscheidenden Elfmeter im Pokal weiteres Selbstvertrauen gesammelt. In den gut 20 Minuten, die er in Münster auf dem Platz stand, hatte er jedoch keine einzige Ballberührung.
Der Däne, der in der Vorsaison noch in der Dritten Liga gespielt hat, scheint bis auf Weiteres als Joker wertvoller zu sein. Wenn man Grönning von der Bank bringen könne, sei es schon so, „dass du noch mal einen Push bekommst“, sagt Leitl.
Bei Niklas Kolbe hingegen spricht vieles für einen Einsatz von Beginn an – nicht zuletzt, weil die Darmstädter eine physisch starke und auffallend groß gewachsene Mannschaft haben. In der Kernkompetenz eines Verteidigers, dem Verteidigen, hat Kolbe bisher deutlich griffiger gewirkt als Dardai. Und trotz seiner Statur verfügt der Linksfuß auch über fußballerische Qualitäten. Eine gute Spieleröffnung zum Beispiel.
„Er macht seinen Job richtig gut, ist aggressiv am Mann, ist extrem schnell, kann die Leute ablaufen“, sagt Herthas Abwehrchef Toni Leistner. „Es ist gut, wenn man auch viele gute Spieler in der Hinterhand hat, dass man da auch reagieren und Dinge verändern kann.“ Jetzt muss nur noch Stefan Leitl das genauso sehen.