Europa muss sich nach Einschätzung von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) durch mehr Investitionen in seine Verteidigung unabhängiger von den USA machen.
Die Vorbehalte in den USA gegen Europa müssten endlich ausgeräumt werden, insbesondere die Vorbehalte „gegen unsere sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei“, sagte Merz beim Tag der Industrie in Berlin. Diese hätten die Amerikaner über viele Jahrzehnte akzeptiert – „jetzt nicht mehr“.
Wir Europäer müssen uns auf uns selbst gestellt stärker machen. Wir müssen stärker werden.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU)
Auch nach einem erneuten Regierungswechsel würden die USA nicht zum alten Denken zurückkehren, erklärte Merz. „Wir Europäer müssen uns auf uns selbst gestellt stärker machen. Wir müssen stärker werden.“ Die Europäer müssten sich auf ihre Stärken konzentrieren und ihre Schwächen Schritt für Schritt beseitigen.
Merz machte deutlich, dass aus seiner Sicht der Abwehrkampf der Ukraine gegen Russland „angesichts der sehr starren Haltung des russischen Regimes“ noch einige Zeit dauern könne. „Da ist unsere Durchhaltefähigkeit nicht nur militärisch, sondern vor allem politisch gefragt.“ Es gelte, unsere Freiheit zu verteidigen: gegen Sabotage, gegen Cyberangriffe, gegen Fake News, gegen Versuche der Destabilisierung unseres Landes und gegen alle Versuche der Spaltung Europas.
Merz hält „Elemente einer Wehrpflicht“ für wahrscheinlich
Zudem hält Merz es für wahrscheinlich, dass die Wiedereinführung einer Wehrpflicht in Deutschland nötig wird, um die geplante Vergrößerung Bundeswehr zu ermöglichen. „Wir werden wahrscheinlich (...) mit der gegenwärtigen Freiwilligkeit alleine nicht hinkommen, sondern zusätzliche Elemente einer Wehrpflicht brauchen“, sagte er.
Die Unternehmen rief er dazu auf, ihren Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, als Reservisten an Übungen teilzunehmen. „Die Bundeswehr muss zurück in die Mitte unserer Gesellschaft“, sagte der Kanzler. „Es war ein Fehler – wie wir spätestens heute wissen – die Wehrpflicht auszusetzen.“ Man könne sie allerdings nicht so einführen, wie sie gewesen sei. Wie genau er sich eine neue Wehrpflicht vorstellt, sagte Merz nicht.
Die Wehrpflicht war 2011 ausgesetzt worden, ist aber weiter im Grundgesetz verankert. Sie kann mit einfacher Mehrheit der Regierungskoalition von Union und SPD wieder eingeführt werden. Die Sozialdemokraten wollen aber zunächst auf Freiwilligkeit setzen. So ist es auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben.
Die Union dringt aber darauf, so schnell wie möglich zu entscheiden, ob die angestrebte Aufstockung der Bundeswehr auf Grundlage der Freiwilligkeit möglich ist. Der Verteidigungsminister schätzt den Bedarf auf 50.000 bis 60.000 zusätzliche Soldaten – derzeit sind es etwas mehr als 180.000.