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Kritikerempfang bei der Frankfurter Buchmesse: Der Nichtleser aus Stanford bei den Viellesern von Suhrkamp

2025-10-17
In leben Vom Gerrit Bartels

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Der Weg am Buchmessenmittwoch zum Suhrkamp-Kritikerempfang so gegen 17 Uhr ist noch fast derselbe: U-Bahnhof Holzhausenstraße aussteigen, die Holzhausenstraße entlanglaufen, nur dann nicht nach links hoch die Klettenbergstraße hinauf zur Unseld-Villa, sondern nach rechts durch den Park oder die Justinianstraße zum Holzhausenschlösschen.

Barockes Wasserschloss

Die Unseld-Villa, die sowieso nur noch genau dieses eine Mal im Jahr für den Kritikerempfang genutzt wurde und sonst gar nicht mehr, hatte der Verlag vor zwei Jahren verkauft und war danach gewissermaßen ortlos in der Stadt geworden.

Für seinen traditionsreichen Empfang hat Suhrkamp nun das Holzhäusenschlösschen im gleichnamigen Park auserkoren: ein barockes Wasserschloss, umspült von einem Teich und mehreren Springbrunnen, das der Frankfurter Bürgerstiftung gehört (deren Vorsitzender Siegfried Unseld wiederum neun Jahre lang war).

Auch Rainald Goetz ist gekommen

Zur Premiere, so scheint es, sind dieses Mal wirklich alle gekommen, alle bitte in Großbuchstaben. Wie gewohnt darunter viele Suhrkamp-Autoren und -Autorinnen mit aktuellen Büchern wie beispielsweise Jina Khayyer, Andreas Maier, Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey. Aber auch solche ohne, dem Haus eng verbundene wie Rainald Goetz oder Thomas Meinecke. Natürlich ebenfalls zum ersten Mal dabei: Der neue Eigentümer des Verlags Dirk Möhrle und seine Gattin.

Alles wirkt nun geräumiger, nicht mehr so verwinkelt-verbuckelt wie in der Villa. Um ein bisschen Atmosphäre von früher zu kreieren, hat man den inzwischen in Berlin beheimateten großen dunkelblauen Teppich aus Unselds Wohn- und Bibliothekszimmer nach Frankfurt geschafft und im großen Saal im ersten Stock ausgerollt; auch die berühmten, von Willy Fleckhaus gestalten Edition-Suhrkamp-Bände stehen oben schön aufgereiht über der Bühne; nicht zuletzt ist die Arbeitsbibliothek von Unseld, ohne dass sie an diesem Abend zu sehen wäre, inzwischen Eigentum der Bürgerstiftung.

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Ein bisschen altes Suhrkamp-Unseld-Flair also im Schlösschen, wie es sich gehört. Verleger Jonathan Landgrebe verzichtet zwar auf das Verlesen der Namen der anwesenden Autoren und Autorinnen, begrüßt aber wie eh und je einen Gast, der kurz aus einem Buch vorliest. Es ist der extra aus Stanford eingeflogene Romanist und Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht. Er liest aus seiner im kommenden Frühjahr erscheinenden und, wie er betont, auf Initiative des Verlags entstandenen Autobiografie „Sepp – Mein Leben auf Halbdistanz“.

Gumbrecht hatte fast dreißig Jahre einen Lehrstuhl für Komparatistik an der Stanford University inne, und trotzdem kokettiert er an diesem frühen Abend damit, so seine Probleme gehabt zu haben mit dem Lesen, nie ein leidenschaftlicher Leser gewesen zu sein.

Vier Stückchen aus seinem Buch trägt Gumbrecht vor, ganz launig macht er das. Darüber, wie es auf Hawaii in jungen Jahren nicht mit Gottfried Keller geklappt habe, dagegen aber als Siebenjähriger mit Fritz-Walter-Büchern und als Student in Salamanca mit spanischen Klassikern, auch weil es so kalt in den kastilischen Wintern gewesen sei. (Bei Suhrkamp gibt es übrigens von Gumbrecht eine sehr lesenswerte zweibändige Geschichte der spanischen Literatur).

Schön, schön, das alles. Schöner aber ist es dann doch, im Schlösschen herumzuwandern, zu trinken und zu plaudern. Oder, noch besser, dasselbe zu tun auf der durchaus langen Schlösschenbrücke. Gut möglich also, dass Suhrkamp an diesem Abend eine neue Tradition begründet hat.

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