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Das Theater, das bin ich: Zum Tod des großen Bühnenkönigs Claus Peymann

2025-07-17
In leben Vom Rüdiger Schaper

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Stuttgart. Bochum. Wien. Berlin. Das waren seine großen Stationen als Intendant und Regisseur, als Antreiber und Aufreger. Wo immer er antrat, ging die Post ab. Er inszenierte Stücke so gut wie Skandale. Seine Häuser waren voll. Wo er nicht geliebt wurde, da wurde er gefürchtet. Claus Peymann wird in der Geschichte des deutschsprachigen Theaters einen Ehrenplatz bekommen. Jetzt ist er im Alter von 88 Jahren in Berlin gestorben.

Geschichte, das war er schon seit einiger Zeit. So viel hat sich geändert, seit er 2017 die Leitung des Berliner Ensembles abgab. Das BE war seine letzte Station. 2023 inszenierte er dann noch in Wien „Warten auf Godot“, seine Abschiedsvorstellung. Claus Peymann gehörte, wie Peter Stein, zu der machtbewussten Generation, die in den Sechzigerjahren gegen die alten Herren im Theater rebellierte.

Der Aufstand der Regietheaterkönige war von Erfolg gekrönt und läutete eine Ära ein, der heute noch manch einer nachhängt. Theater war wichtig, Theater war politisch. Theater war das wichtigste Thema im Feuilleton, wobei Peymann nicht viel übrig hatte für die Kritiker. Dass Kritik immer nur so gut sein kann wie ihr Gegenstand, hörte er nicht gern. Denn in späteren Jahren war auch bei Peymann nicht alles erstklassig. Kritik sei völlig unwichtig geworden, sagte er, und ließ in seinem Spielplanleporello ausführlich Zitate aus den Rezensionen drucken.

Claus Peymann bei seinem Abschied als Intendant beim Berliner Ensemble.

© IMAGO/Berlinfoto/imago

Nachher war er selbst alte Schule: ein aufgeklärter Theaterfürst, wie er sich gern selbst bezeichnete, ein Zirkusdirektor, ein Lautsprecher wie ein Fußballtrainer, eine öffentliche Person, die Konflikte genoss und auch suchte. Ein Alleinherrscher. Allerdings wäre das Peymann-Theater nicht möglich gewesen ohne seinen treuen Dramaturgen Hermann Beil, ohne seine Dramaturgin und Partnerin Jutta Ferbers, ohne Schauspieler wie Bernhard Minetti, Ilse Ritter, Kirsten Dene und Gert Voss, denen Thomas Bernhard Dramen auf den Leib schrieb. Regietheater war stets Schauspielertheater.

Und neue Dramatik, woran es jetzt so häufig fehlt. Claus Peymann hat seine Karriere mit den Autoren gemacht. Und sie mit ihm. Am Theater am Turm in Frankfurt am Main brachte Peymann 1966 Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“ auf die Bühne, drei Jahre später dann Handkes „Das Mündel will Vormund sein“.

Er selbst war zuweilen seine größte Inszenierung

Es waren Meilensteine auf dem Weg in eine andere Theaterwelt. Schon in den frühen Siebzigern begann die Verbindung mit Thomas Bernhard, die ein Leben lang halten sollte. 1972 besorgte Peymann bei den Salzburger Festspielen die Uraufführung von „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ mit Bruno Ganz und Ulrich Wildgruber.

Peymann gehörte zum linken Adel. Er war für einige Monate Mitglied der 1970 neu gegründeten Schaubühne am Halleschen Ufer. Peymann wirkte wie eine Figur von Thomas Bernhard: Er ätzte gegen Zeitgenossen, legte sich leidenschaftlich mit Politikern an, wofür Österreich ihm eine hervorragende Bühne bot. Dort wurde und wird das Theater ernster genommen als anderswo. Als Peymann 1988 Bernhards „Heldenplatz“ am Burgtheater zur Uraufführung brachte – in dem Stück geht es um die Nazi-Begeisterung der Österreicher und den sogenannten Anschluss –, kochte das Wiener Blut.

Peymann 2017 in seinem Büro.

© IMAGO/Berlinfoto/imago

Peymann sonnte sich in solchen Sternstunden der Menschheit, die ihn auch kannte, wenn sie nicht ins Theater ging. Peymann machte sich und seine Arbeit, seine Kunst wichtig. Er selbst war zuweilen seine größte Inszenierung – eine höchst unterhaltsame Charakterfigur zwischen Shakespeare und dem legendären Schmierentheaterchef Striese.

Großartig waren naturgemäß in den BE-Jahren die Auseinandersetzungen vor Gericht mit Rolf Hochhuth, dem Dramatiker; auch er war ein begabter Selbstdarsteller, Aufklärer, Nervenstrapazierer. Es ging im Streit um das Hausrecht und die Immobilie am Schiffbauerdamm, die zum Teil der von Hochhuth gegründeten Ilse-Holzapfel-Stiftung gehört; die Sache schwelt nach wie vor.

Kaum kann man alle seine bedeutenden Regietaten aufzählen. Erwähnt werden muss Peymanns „Faust“ in Stuttgart 1977 und die Bochumer „Hermannsschlacht“ mit der berühmten Schildkrötenformation der römischen Schilde. Aus heutiger Sicht wirkt das eher konservativ, statisch, textgetreu allemal. Damals war es frisch.

In Stuttgart gab es Riesenkrach, als er für eine Zahnbehandlung der inhaftierten RAF-Terroristin Gudrun Ensslin spendete. Der auch schon lange verstorbene Hellmuth Karasek, ein Kritiker, der sich auskannte, erzählte allerdings einmal, dass der Skandal sich in Grenzen halte, wenn man wisse, wie viel Geld Peymann gespendet hatte.

Kollegenschelte war seine Spezialdisziplin

Peymanns Sparsamkeit, aber auch seine Popularität behandelte Benjamin von Stuckrad-Barre in dem Theatersketch „Claus Peymann kauft sich keine Hose, geht aber mit essen“ – eine Parodie auf Thomas Bernhards Dramolett „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen.“ Es war immer auch lustig mit dem Alten.

Es gibt so viele Peymann-Anekdoten. Bei einer Anhörung im Reichstagsgebäude, bei der es nach der Wende um die Situation der Theater ging, ließ Peymann auf sich warten. Er kam eine halbe Stunde zu spät in den Saal gestürmt und sagte, er komme gerade aus Jerusalem. Er kam von der Probe für Lessings „Nathan der Weise“, das Stück spielt eben dort. So war er. Immer auf der Bühne, am liebsten an der Rampe, in der Hauptrolle. Theater war für ihn unbedingte Realität.

Kollegenschelte war seine Spezialdisziplin. Er maulte über Frank Castorf und Herbert Fritsch und bezeichnete seinen Nachfolger Oliver Reese als „Katastrophe“ – die freilich nicht eingetreten ist, Peymann und Reese sind einander vielleicht ähnlicher, als man denkt. Peymann führte seine Geschäfte korrekt, als Intendant inszenierte er nicht auswärts, man konnte sich auf ihn verlassen.

Als der Abschied vom BE nahte, sagte er in einem Gespräch mit Peter von Becker: „Aber natürlich war es ein Fehler, dass ich zu Beginn gesagt habe, ich wolle der Reißzahn im Fleisch der Berliner Republik sein.“ Und Peymann redete sich in Rage: „In Wien war ich als Burgtheaterdirektor am Ende der Heilige Geist, kam gleich nach Gott und dem Papst. Während man in Berlin nicht im Mittelpunkt steht. Inzwischen hat Theater bei uns sowieso nur noch eine Randbedeutung. Es fehlt die Reibung mit der Gesellschaft, mit der Politik. Frau Merkel ist kein Feind. Auch nicht die Regenwürmer um sie herum. Trump taugt vielleicht als neuer Bösewicht.“ Das war vor acht Jahren.

Der Mann mit dem falschen Reißzahn lebte in Köpenick, in einem schönen Haus am Wasser. Als Wildschweine ihm den Garten umgruben, soll er den ungebetenen Gästen entgegengeschleudert haben: „Ihr wisst wohl nicht, wen ihr vor euch habt.“ Wenn es nicht so war, dann ist es doch gut erfunden, wie so vieles im Leben des gebürtigen Bremers Claus Peymann.

Ein Nachruf auf diesen einmaligen Zampano ist zugleich ein Nachruf auf eine Ära des Theaters, das in wirtschaftlich ruhigen und relativ friedlichen Zeiten aufblühen konnte. So ist die Welt nicht mehr. Ein Thomas Bernhard wüsste jetzt gar nicht, worüber er sich noch auskotzen sollte. Die Theatertexte einer Elfriede Jelinek, die Peymann auch inszeniert hat, zerfließen im Überangebot der Schecken. Peymanns Theater hielt eine übersichtliche Ordnung, ob er nun Kleist oder Brecht inszenierte. Das geht heute nicht mehr. Auch deshalb wird es einen wie ihn nie mehr geben.

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