Berlin kann auch Sternstunden. Die Eröffnung von „The Scharf Collection“ in der Alten Nationalgalerie wird wohl als eine solche in die Stadtgeschichte eingehen. Sammler aus aller Welt, unter anderem aus Paris, Kapstadt, New York und Los Angeles feierten am Donnerstagabend im Rahmen einer rauschenden Party in der James-Simon-Galerie ein Ereignis, das sich im Stadtbewusstsein erst in den nächsten Wochen so richtig entfalten wird.
Erstmals ist die Sammlung zu sehen, die der Berliner Versicherungsmathematiker Otto Gerstenberg einst begonnen hat, und die seine Nachkommen in vierter Generation bis heute fortführen. Den Dank der Bundesregierung an den Urenkel René Scharf und seine Frau Christiane überbringt Kulturministerialdirektorin Maria Bering.
© Sammlung Scharf, Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Was für einen riesigen Schritt es für die Sammler bedeuten muss, einen solchen Schatz mit der Allgemeinheit zu teilen, wird in den Reden immer wieder hervorgehoben.
Zu zeigen, was man hat, das Innerste der Familiengeschichte zu offenbaren, sei nicht nur ein Akt der Großzügigkeit, sondern auch ein großer Vertrauensbeweis gegenüber der Öffentlichkeit, hebt die Direktorin der Alten Nationalgalerie, Annette Hüsch, hervor.
Das Erbe über den Krieg gerettet
Sie erinnert daran, dass Otto Gerstenberg Versicherungen einer breiten Schicht der Bevölkerung erst zugänglich gemacht hat, dass seine Tochter Margarethe Scharf das Erbe auf abenteuerliche Weise über den Krieg gerettet hat, was nur in Teilen gelungen sei.
The Scharf Collection
Alte Nationalgalerie, 24. Oktober 2025 bis 15. Februar 2026, täglich außer montags 10 bis 18 Uhr. Sonderöffnungszeiten an den Feiertagen.
Kulturelle Brücke zwischen Deutschland und Frankreich
Für den französischen Botschafter François Delattre ist die Sammlung „ein kleines Wunder“, nicht nur, weil sie zwei Weltkriege überstanden hat oder eine der bedeutendsten Privatsammlungen ist, die ein ganzes Jahrhundert europäischer Kunstgeschichte widerspiegelt.
Er sieht darin auch eine kulturelle Brücke als Ausdruck der deutsch-französischen Freundschaft und gibt der Hoffnung Ausdruck, dass sie irgendwann auch in Frankreich zu sehen sein wird.
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Nachdem Gerstenbergs Enkel Walther und Dieter Scharf das Erbe einvernehmlich aufgeteilt hatten, konzentrierte sich der eine Zweig auf den Surrealismus, der in der Sammlung Scharf-Gerstenberg schon länger für die Berliner zugänglich ist.
Der andere Teil mit dem Schwerpunkt Frankreich, mit hier ausgestellten 150 Bildern unter anderem von Monet, Renoir, Cézanne, Matisse, Bonnard, Degas, des Spaniers Goya und dem gesamten graphischen Werk von Toulouse-Lautrec ist erstmals in dieser Größenordnung zu sehen.
Unter den Gästen ist auch Christophe Durant-Ruel, der Urenkel eines französischen Kunsthändlers, der mit Otto Gerstenberg befreundet war. Es ist noch viel von der Bedeutung des Mäzenatentums die Rede, von bürgerschaftlichem Engagement, welches es erst möglich macht, dass solche bedeutenden Werke von der Allgemeinheit gesehen werden können und nicht in Banktresoren verstauben.
Der lange Weg in die Öffentlichkeit
Dass es kein leichter Weg war, der ursprünglich bereits im Jahr 1987 seinen Anfang genommen hat, schimmert zwischen den Zeilen auch hervor. Die Sammler René Scharf und seine Frau Christiane, die sich unter ihrem Mädchennamen Stützle als Hollywoods Anwältin einen Namen gemacht hat und die Sammlung auch juristisch betreut, werden künftig nicht mehr nur von Eingeweihten gekannt und entsprechend umworben sein.
Im kommenden Jahr wird die Sammlung, teils mit anderen Werken, auch noch in Düsseldorf gezeigt. Aber in Berlin repräsentiert sie eben auch ein leuchtendes Stück Stadtgeschichte, das Erbe einer Familie, deren ästhetisches Gespür sich über alle Grenzen hinweggesetzt hat.
Gäste aus Los Angeles und New York
Dieses Ereignis lässt niemanden unberührt zurück. Nicht John und Kimberly Emerson, die aus Los Angeles angereist sind, nicht die Freunde aus New York, wo René Scharf jahrelang als Kunsthändler tätig war, nicht Giovanna Stefanel und nicht die Berliner Prominenten wie Hermann Parzinger, Dennenesch Zoudé, Jan-Henrik Scheper-Stuke oder Alexandra Oetker.
Auch Galerist Markus Deschler und die Juristin Ursula Raue, die Teile der lange in Bayern ausgelagerten Sammlung schon kannten, sind beeindruckt von dieser Fülle. Im Anschluss entlädt sich die Anspannung beim fliegenden Buffet, beim Tanz und vor allem in den angeregten Gesprächen über das Gesehene.
Der „Hauch von französischem Sommer“, den Gero Ditmer von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz beim Anblick der Bilder verspürt, wird den Berliner Winter durchwehen. Was danach wird, muss man sehen.