Der Richter eröffnet die Verhandlung mit einer Frage, die sich wohl so einige Beobachter dieses Prozesses schon gestellt haben: „Herr Schmitt, wie geht es Ihnen eigentlich?“ Immerhin sei er ja erstmals inhaftiert gewesen, begründet der Richter seine Frage. Doch Schmitt will nicht antworten. Noch nicht: Er wolle warten, bis alle seine Unterstützer im Saal sind, erklärt er. Seine Verteidigerin springt ihm zur Seite: „Ihm geht’s nicht so gut, er hat was im Rücken.“
Als „Friedenspianist“ nutzte Arne Schmitt Querdenken-Demonstrationen als Bühne. Inzwischen sind ihm Gerichtssäle offenbar lieber. Seit Monaten beschäftigt er die Berliner Justiz mit einem Berufungsverfahren gegen ein Urteil wegen Landfriedensbruchs. Doch am Mittwochmorgen akzeptierte Schmitt vor dem Strafgericht Moabit das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Tiergarten: 70 Tagessätze zu je 15 Euro. In Untersuchungshaft bleibt er trotzdem bis auf Weiteres.
Mit dem Klavier gegen die Polizei
Am 21. April 2021 rief Schmitt am Klavier Querdenken-Demonstranten dazu auf, eine Polizeikette zu durchbrechen. Auch sein Musikinstrument, das über einen Elektroantrieb verfügt, steuerte auf die Polizisten zu. Im April dieses Jahres verurteilte ihn das Amtsgericht Tiergarten zu einer Geldstrafe, Schmitt ging in Berufung.
In mittlerweile 14 Verhandlungstagen hielt er die Justiz zum Narren und verteidigte sich mit Laien-Jura selbst. Vorläufiger Tiefpunkt der Justiz-Posse: Ende August versuchte Schmitt eigenmächtig einen Schöffen festzunehmen. Während er den Schöffen und die ihn begleitenden Justizbeamten anging, rief Schmitt die Polizei an, um Anzeige gegen den Schöffen zu stellen. Die Situation ist auf Video festgehalten.
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Seit Anfang September sitzt Schmitt deshalb in U-Haft, verhaftet wurde er im Gerichtssaal – ein seltener Vorgang. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamten gleichgestellte Personen, Nötigung, Vortäuschens einer Straftat und falscher Verdächtigung. Aufgrund dieses „sicherheitsrelevanten Vorfalls“, wie es eine Gerichtssprecherin ausdrückt, gibt es am Mittwoch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen.
Das Wort Vernunft ist wichtig.
Arne Schmitt, der auf einer Querdenker-Demonstration mit einem Klavier auf Polizisten zufuhr
„Was ist denn jetzt mit den Zuschauern?“, fragt der Richter. „Wir werden noch voll“, sagt ein JVA-Mitarbeiter. Die Kontrollen würden bloß noch etwas dauern. Die Verhandlung wird unterbrochen, die Verteidigung will die Zeit für Rechtsgespräche nutzen.
Mit Erfolg: Nach Rücksprache mit Anwalt und Anwältin nimmt Schmitt, der sich zuvor selbst verteidigt hatte, die Berufung zurück. „Das Wort Vernunft ist wichtig und das sollte für jeden Menschen gelten, auch für mich“, sagt er. Dann entschuldigt er sich bei dem Schöffen: „Diese Aktion mit Ihnen, die war nicht gut.“ Er sei „energetisch sauer“ gewesen, die Emotionen seien mit ihm durchgegangen. Schmitts Anhänger schreiben auf mitgebrachten Zettelchen mit.
Pianist mit schwieriger Fanbase
Für jene Klientel, das vor einigen Jahren noch gegen die nach wie vor nicht ausgerufene Impfdiktatur auf die Straße ging, ist der Prozess ein hochpolitisches Ereignis. Gegenüber der Justiz ist man skeptisch, auch bei Kleinigkeiten: Als die erlaubte Besucherzahl von 35 Personen erreicht ist, beschweren sich Schmitts Anhänger lautstark. „Hier vorne sind doch noch Plätze frei und beim Verfassungsgericht ist das möglich“, meint ein älterer Herr zu wissen, zählt die freien Plätze mit seinem Bleistift ab und widmet sich wieder seinen Notizen.
Beim Prozess am Mittwoch sind auch der AfD-nahe Schlagersänger Björn Winter und der Querdenken-Aktivist Michael Bründel im Saal. Vor dem Gebäude erscheint ein Mitarbeiter des rechtsextremen Onlineportals „Auf1“. Dass die Verhandlung so schnell endet und dann auch noch mit einem Eingeständnis Schmitts, lässt die Unterstützer etwas verdutzt zurück. Vor dem Gerichtsgebäude stehen sie herum und wissen auch nicht wirklich wohin. „Der Roy von Auf1 ist noch da, will jemand ein Interview machen?“, fragt einer. So richtig Lust hat kaum jemand, ein paar ältere Damen und Herren kommen dann doch mit.
Wann sich „Friedenspianist“ Schmitt wegen der Attacke auf den Schöffen verantworten muss, steht noch nicht fest. Die Ermittlungen dauern an, ein Verfahrensabschluss sei bald zu erwarten, teilt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit.