Klara Schedlich ist nicht allein. Sie betritt das Landgericht Hamburg an diesem Freitag mit ihrer Anwältin und mit vielen hochrangigen Politikerinnen der Berliner Grünen: die Landesvorsitzende Nina Stahr, die Fraktionsvorsitzende Bettina Jarasch, die Berliner Abgeordnete Antje Kapek und Ex-Bundesfamilienministerin Lisa Paus laufen hinter Schedlich her.
Verhandelt wird an diesem Tag über eine eidesstattliche Erklärung, die die Berliner Abgeordnete Schedlich dem RBB abgegeben hat und in dem die 25-Jährige aus ihrer Sicht grenzverletzendes Verhalten seitens des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar (ebenfalls Grüne) schilderte. Die Beiträge des RBB über angebliche Belästigungsvorwürfe sind inzwischen gelöscht, eine weitere eidesstattliche Erklärung stellte sich als gefälscht heraus.
Gelbhaar ging nicht nur gegen den RBB vor, sondern gegen Schedlich selbst. Im Eilverfahren untersagte das Landgericht Hamburg Schedlich, einen Teil der getätigten Aussagen weiterzuverbreiten. Untersagt wurden ihr Aussagen zu nächtlichen Nachrichten, Kommentaren zu ihrem Aussehen und Gelbhaars angeblichen Versuch, sie auf einen Kaffee treffen zu wollen. Das Gericht meinte, dass sich beide längere Zeit Direktnachrichten geschrieben hätten. Es sei keine einseitige, von Gelbhaar ausgehende Kommunikation gewesen. Schedlich legte mit ihrer Anwältin Widerspruch gegen die Entscheidung ein.
Die mündliche Verhandlung am Freitag wird zu einem Lehrstück in Presserecht, an dessen Ende die Kammer ihre vormalige Entscheidung bestätigt. Aufschlussreich aber sind die ergänzenden Worte – nicht nur von Schedlich selbst, sondern auch von der Richterin. Gelbhaar ist bei der Verhandlung nicht vor Ort, der 49-Jährige lässt sich von seinem Anwalt vertreten.
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Es sei der Eindruck entstanden, es habe eine „vollkommen einseitige Kommunikation“ gegeben
Richterin Kristina Feustel betont in ihren einleitenden Worten, dass der Angriff gegen eine eidesstattliche Erklärung „eine Besonderheit“ sei. Generell gehe es bei der Entscheidung der Pressekammer nicht darum, eine Aussage zu bewerten, sondern nur über den konkreten Streitgegenstand in presserechtlicher Hinsicht zu entscheiden. Und dabei betrachte die Pressekammer, was im konkreten Fall vorliege.
Die Kammer guckt sich ganz konkret an: Wie genau ist eine Äußerung gefallen und wie ist sie für den durchschnittlichen Rezipienten zu verstehen.
Richterin Kristina Feustel
Das Gericht sage gerade nicht, dass etwas Bestimmtes unwahr sei. Für die Bewertung sei der Kontext entscheidend, sagte die Richterin weiter. „Die Kammer guckt sich ganz konkret an: Wie genau ist eine Äußerung gefallen und wie ist sie für den durchschnittlichen Rezipienten zu verstehen.“ Sie wiederholte die Begründung, mit Schedlichs eidesstattlicher Erklärung sei der Eindruck entstanden, es habe eine „vollkommen einseitige Kommunikation“ gegeben. In Wirklichkeit habe es aber eine beiderseitige Kommunikation zwischen Gelbhaar und Schedlich gegeben.
Bei weiteren Äußerungen zu körperlichen Berührungen liegt für das Gericht auch weiterhin eine sogenannte „non-liquet Situation“ vor. Beide Seiten behaupteten Gegenteiliges und keiner der Versicherungen käme eine höhere Glaubhaftigkeit zu als der anderen, hieß es in der Begründung.
Weitere Frauen sollen grenzüberschreitendes Verhalten Gelbhaars erlebt haben
Schedlich gab vor Gericht einen Einblick, warum sie sich überhaupt entschieden hat, an die Presse zu treten. Als die Vorwürfe Ende Dezember bekannt geworden seien, sei seitens Gelbhaar der Eindruck erweckt worden, er wisse gar nicht, worum es gehe. Daraufhin sei es ihr ein Anliegen gewesen, dem RBB mitzuteilen, dass es bereits ein Ombudsverfahren wegen Gelbhaar gegeben habe. Sie selbst hatte sich mit einer Beschwerde an die Partei-Ombudsstelle gewandt. „Ich fand, dass er mir grenzüberschreitende Nachrichten geschickt hat“, sagte sie.
Nachdem sie vom RBB über ihre Erlebnisse befragt worden war, habe eine RBB-Redakteurin sie gebeten, eine eidesstattliche Erklärung zu unterzeichnen. Dabei sei sie explizit danach gefragt worden, die Situationen schriftlich zu bezeugen, die sie als problematisch empfunden habe. Auf diese Frage habe sie geantwortet und sei deswegen auch nicht auf die Idee gekommen, zu sagen, dass es länger eine beiderseitige Kommunikation gegeben habe.

© dpa/Michael Kappeler
Schedlichs Anwältin legte vor Gericht weitere eidesstattliche Erklärungen anderer Frauen vor, die ebenfalls grenzüberschreitendes Verhalten schildern sollen. Der Inhalt dieser Erklärungen kam bei der Verhandlung aber nicht zur Sprache. Schedlichs Erleben sei „kein Einzelfall“, sagte ihre Anwältin. „Es ist ein Muster, wie er sich verhält“, sagte sie mit Blick auf Gelbhaar. Dessen Anwalt zeigte sich verärgert über das kurzfristige Vorbringen weiterer Erklärungen. Das werde „selbstverständlich alles bestritten“, erklärte er.
Schedlich sagte im Anschluss an die Verhandlung: „Ich weiß ja, was mir passiert ist.“ Mit dieser Gewissheit sei sie gekommen und gehe auch wieder. „Wir haben heute trotzdem klarmachen können, dass meine Erlebnisse kein Einzelfall sind, sondern dass es eine Vielzahl an Frauen gibt, die eidesstattlich für das Gericht versichert haben, dass sie Erlebnisse mit Herrn Gelbhaar hatten.“
Ob sie und ihre Anwältin gegen die Entscheidung der Kammer weiter vorgehen werden, stand am Freitag noch nicht fest.
Schedlichs Schilderungen waren auch Bestandteil einer ausführlichen Berichterstattung der „Süddeutschen Zeitung“, der weitere Frauen von grenzwertigem Verhalten berichtet hatten. Auch gegen diesen Artikel ging Gelbhaar vor, verlor aber mehrheitlich. Gelbhaar legte gegen den Beschluss Beschwerde ein.
Wie es um die parteiinterne Aufklärung des Vorfalls steht, ist derweil weiter unklar. Eine Kommission sollte die Vorfälle aufarbeiten. Nach Tagesspiegel-Informationen soll der Bericht der Kommission zeitnah vorgelegt werden.