Es schien fast zu schön, um wahr zu sein. Alles deutete bereits auf ein torloses Unentschieden hin, die reguläre Spielzeit war längst abgelaufen. Aber in der achten Minute der Nachspielzeit hatte Hertha BSC doch noch die Chance zum Lucky Punch. Oder, wie es Trainer Stefan Leitl ausdrückte: „den absoluten Matchball“.
Über Maurice Krattenmacher fand der Ball den Weg zu Fabian Reese. Der Kapitän des Berliner Fußball-Zweitligisten lief allein auf das Tor des SV Darmstadt 98 zu. Herthas Stürmer zog ab, unbedrängt und mit seinem starken rechten Fuß. Der Ball flog am Tor vorbei.
Darmstadt 98 - Hertha BSC 0:0
Darmstadt 98: Schuhen - Papela, Pfeiffer, Vukotic, Nürnberger - Klefisch, Akiyama (61. Maglica), Richter (61. Marseiler), Corredor (87. Boetius) - Lidberg (87. Bialek), Hornby.
Hertha BSC: Ernst - Gechter, Leistner, Kolbe (67. Dardai) - Eitschberger (90.+6 Rogel), Jensen, Zeefuik, Cuisance, Krattenmacher - Thorsteinsson (67. Kownacki), Reese.
Schiedsrichter: Erbst (Gerlingen).
Zuschauer: 17.810 (ausverkauft).
Der Fehlschuss kurz vor dem Ende war der passende Schlusspunkt auf den Auftritt der Berliner. Nach drei fußballerisch dürftigen Auftritten konnte Hertha am Darmstädter Böllenfalltor erstmals in dieser Saison andeuten, dass das Ziel Aufstieg doch kein Hirngespinst sein muss. Die Mannschaft zeigte, vor allem in der ersten Hälfte, ihre mit Abstand beste Leistung und hatte Chancen im Überfluss, die Partie für sich zu entscheiden.
„Wir haben ein sehr gutes Auswärtsspiel gemacht“, sagte Fabian Reese. Nur der Ertrag stimmte nicht.
Gemessen an Herthas Darbietung war das 0:0 beim bisherigen Tabellenzweiten ein eher unbefriedigendes Ergebnis. „Momentan fehlt vielleicht das Quäntchen Glück“, mutmaßte Trainer Leitl. Oder die Präzision im Abschluss. Denn bei allem Fortschritt, der am Sonntag zu registrieren war, bleibt Herthas mangelhafte Torausbeute ein Problem. In insgesamt 390 Minuten in Liga und Pokal haben die Berliner erst einen Treffer erzielt.
Nach dem zähen Saisonstart sah sich Stefan Leitl vor dem Spiel in Darmstadt deutlichen Forderungen nach Veränderungen ausgesetzt. Herthas Trainer folgte ihnen, zumindest teilweise. Vier Neue kamen im Vergleich zum Pokalspiel in Münster in die Startelf.
Neben dem im Pokal gesperrten Deyovaisio Zeefuik kehrten auch Leon Jensen und Maurice Krattenmacher ins Team zurück. Zudem feierte Niklas Kolbe sein Startelfdebüt für die Berliner. Er ersetzte den zuletzt schwächelnden Marton Dardai in der Innenverteidigung.
Der 28-Jährige bestätigte die guten Eindrücke, die er bisher nach seinen Einwechslungen hinterlassen hatte. Mitte der zweiten Halbzeit aber stürzte Kolbe nach einem Schubser von Darmstadts Fraser Hornby so unglücklich, dass er ausgewechselt werden musste.
Mehr Ballbesitz und mehr Kontrolle
Auf die Frage, wer im Sturm beginnen würde, Sebastian Grönning oder wie bisher Dawid Kownacki, fand Leitl eine überraschende Antwort. Keiner von beiden. Fabian Reese spielte dem Papier nach in der Zentrale, flankiert von Krattemacher und Jon Dagur Thorsteinsson.
In Wirklichkeit hatte Herthas Kapitän alle Freiheiten. Er tauchte immer wieder auf den Seiten auf, war deutlich präsenter als zuletzt und sehr viel stärker ins Spiel seiner Mannschaft involviert.
Die ersten zehn Minuten mit viel Ballbesitz der Darmstädter und großer Passivität bei Hertha erinnerten noch an das Pokalspiel in Münster. Danach aber fanden die Gäste besser ins Spiel. Sie hatten vor allem über Ballbesitz eine bessere Kontrolle. Defensiv ließ Hertha kaum etwas zu, sieht man einmal von Standardsituationen der Darmstädter ab. So landete ein Abschluss von Innenverteidiger Aleksandar Vukotic nach einer Ecke am Pfosten.
Es ärgert mich sehr, dass ich meiner Mannschaft nicht helfen konnte.
Fabian Reese über seine vergebene Chance in der Nachspielzeit
Gefährlicher aber war Hertha. Krattenmacher trat nach einer Hereingabe von Reese freistehend vor dem Tor über den Ball. Nur fünf Minuten später traf er mit einem abgefälschten Schuss den Pfosten. Und kurz vor der Pause hatte Darmstadt erneut großes Glück. Ein Kopfball von Thorsteinsson landete an der Unterkante der Latte, flog ans Knie des rettenden Vukotic und von dort zurück ins Feld.
Erst hatte Hertha Pech, dann kam auch noch kein Glück dazu. Das Schicksal jedenfalls war am Sonntag nicht gerade auf Seiten der Berliner.
In der zweiten Hälfte war das Geschehen auf dem Feld nicht mehr ganz so unterhaltsam. An klaren Chancen mangelte es nun auf beiden Seiten.
Erst in der Schlussphase mit zehn Minuten Nachspielzeit wurde es noch mal richtig wild. Erst vor dem Berliner Tor und wieder nach einem Standard. Aber Torhüter Tjark Ernst reagierte prächtig, lenkte den Kopfball von Kai Kleefisch an den Pfosten. Auf der anderen Seite vergab Reese die Chance zum Sieg. „Es ärgert mich sehr, dass ich meiner Mannschaft nicht helfen konnte“, sagte er. „Den muss ich machen.“